Das Schlagwort der "Gierflation" taucht nicht nur in der politischen Debatte immer wieder auf, wenn es um Inflationstreiber geht. Wirtschaftsminister Martin Kocher lehnte es zuletzt als "Kampfbegriff in der politischen Debatte" ab, als es um die hohen Lebensmittelpreise ging. Generell sei es schwierig, wie er meinte, in einer Marktwirtschaft von "ungerechtfertigten Preiserhöhungen" zu sprechen. "Wenn jemand die teuer gewordenen Produkte kauft, gibt es Nachfrage dafür."

Wie der Markt funktioniert

Sehen wir einmal von der moralischen Komponente in der Debatte ab, bleibt allerdings die Frage, wieweit die Unternehmensgewinne in der Vergangenheit tatsächlich besonders stark gestiegen sind und was tatsächlich der Ursprung der Inflation ist. Dieser Frage widmet sich eine neue Studie der Denkfabrik Agenda Austria, wo man festhält: "Dass Anbieter die Preise anheben, ist das Symptom von Inflation, nicht der Auslöser." Es gehöre zum Wesen unseres marktwirtschaftlichen Systems und sei für die Funktion des Marktes nützlich: "Preise drücken Knappheiten aus".

"Diese Funktion des Marktes könne für Einzelne bittere Konsequenzen haben, müsse aber sein, damit die Preise irgendwann wieder sinken können." Wichtiger Zusatz: Was lebenswichtige Dinge anlangt, habe es die (nötige) Unterstützung des österreichischen Staates umfangreich gegeben.

Messlatte Wirtschaftsleistung

Was wären nun Anzeichen einer gewinngetriebenen Inflation? Marcell Göttert, einer der Studienautoren der Agenda Austria, sagt, man gehe dabei von sogenannten Deflatoren aus. Der sperrige Begriff ist an sich leicht erklärt: Normalerweise würde man die Inflation über die Veränderung des VPI ansehen. Hierbei zeigen sich Preissteigerungen der Güter, die Konsumenten konsumieren, vor allem aber kaufen. Bei unserem Thema geht es nun aber um die Wirtschaftsleistung selbst, egal, ob man sie nun als Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder Bruttowertschöpfung bezeichnet. Göttert: "Das Schöne daran ist, dass wir hier in die Tiefe gehen können und auf Löhne und Unternehmensgewinne aufteilen können, was bei VPI nicht möglich ist."

Unternehmensgewinne 2022

Gerade für das Jahr 2022 fällt nun der Unternehmensgewinn als großer Anteil auf, was immer wieder als Beleg für die Gierflation angeführt werde. Das Problem dabei ist aber, wie Göttert erklärt: "Man sieht hier nur das Phänomen, nicht die Ursache." Ein einfaches Beispiel zur Erklärung: Wenn man eine Haushaltsrechnung führt und alle Ausgaben pro Monat einträgt, kann der Posten "Auto" plötzlich sehr hoch sein. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass man nach Spanien auf Urlaub gefahren ist und deshalb hohe Spritkosten hatte – es könnte aber genauso gut an den Reparaturkosten für einen Getriebeschaden des Autos liegen.

Im ersten Fall ist die Ursache für den Kostenanstieg etwas Positives, im zweiten Fall etwas Negatives. In beiden Fällen wäre der "hohe Balken" in der grafischen Darstellung derselbe. Nicht unähnlich verhalte es sich bei Unternehmensgewinnen, wie Göttert erklärt.

Ursachen der Gewinnsteigerung

Bei der Agenda Austria verweist man etwa auf die Daten der italienischen Nationalbank: "Die Gewinnaufschläge sind rückläufig, aber Vorproduktion bzw. Energie ist teurer geworden. Das hat die Unternehmensgewinne scheinbar angetrieben, weil die Vorproduktionskosten normalerweise nicht in die Gewinndarstellung einfließen." In eine ähnliche Richtung gehe auch die belgische Nationalbank, die die These der gewinngetriebenen Inflation ebenfalls nicht bestätigen könne: "Die Kosten der Unternehmer sind stärker gewachsen als der Umsatz, die höheren Kosten sind dann der Grund für höhere Preise."

Zu einem ähnlichen Resultat komme auch das Beratungsunternehmen Oliver Wyman, das die Gewinnmargen der größten Konsumgüterhersteller in Europa untersucht hat. Außerdem verweist Göttert auf eine Studie des deutschen ifo-Institutes: Die korrekte Einbeziehung der gestiegenen Kosten für Unternehmen habe dabei so deutliche Auswirkungen, dass sich sogar das Vorzeichen geändert hat: "Der Inflationsbeitrag der Unternehmen war dann negativ." 

Fazit

Auf ersten Blick scheint es Anzeichen für eine gewinngetriebene Inflation in Österreich zu geben, dass Unternehmen also in die eigene Tasche wirtschaften und deshalb die Preise ansteigen, wie man bei der Agenda Austria betont. "Wenn man aber genauer hinsieht, entdeckt man: Es sind mehr rechnerische Artefakte als tatsächlich Indizien."