Alle zwei Jahre wird verlässlich der Abgesang auf die europäische Automobilindustrie angestimmt. Die heutige Eröffnung der größten europäischen Automobilmesse in München, die als Mobilitätsspektakel E-Räder, Scooter, Öffis und E-Autos hypt, wird die Bühne dafür bieten.
Noch nie hatte der Abgesang eine so starke Resonanz. Der Privatmarkt kollabiert in sich selbst, die guten Zulassungszahlen sind nur von den Auslieferungszahlen jener Fahrzeuge getriggert, auf die die Kunden seit 2022 gewartet haben.
E-Autos werden zu Ladenhütern, weil die diffuse Preispolitik der Energieanbieter und die mangelnde Infrastruktur Privatkäufer abschreckt. Außerdem wurden Verbrennerautos in den letzten Jahren um bis zu 54 Prozent teurer. Und E-Autos sind in Preisregionen angelangt, die für die Masse nur schwer bezahlbar sind.
Die Folge: Rabattaktionen, die die Milliardengewinne der Konzerne schmelzen lassen.
Der Kuchen wird kleiner
Der Kuchen wird noch kleiner, weil chinesische Hersteller immer stärker in den europäischen Markt drängen: Die IAA zeigt ein erstes echtes Kräftemessen. Die Chinesen treten betont selbstbewusst auf, darunter BYD (auf der IAA mit größerem Stand als Mercedes), Avatr, Nio, Xpeng oder MG.
Aufgrund der chinesischen Vorherrschaft in Sachen Batterietechnik und der Rohstoffdominanz erfährt das Ganze eine politische Dimension. BMW-Chef Oliver Zipse sagte dem Handelsblatt: "Nach außen hin wird Europa politisch erpressbar, weil wir auf Rohstofflieferungen angewiesen sind."
Zweitens sind die Chinesen in Sachen Software den Europäern vor allem in China – wo einige europäische Hersteller bisher ihre höchsten Gewinne einfuhren – überlegen. Deren Autos sind in China Erlebniswelten, samt App-Anbindung in soziale Medien, E-Commerce und vernetzte Mobilität.
Aber Chinas Hersteller müssen ihre Fahrzeuge in Europa im Schnitt zum doppelten Preis anbieten. Zölle, Logistikkosten, Sicherheitsfeatures und der Aufbau eines Händlernetzes kosten.
E-Autos unter 25.000 Euro
Konzerne wie BYD zielen 2024 jedoch auch auf das günstigere Segment, denn europäische Hersteller kommen erst 2025 mit einem breiteren Angebot unter 25.000 Euro. BYD hat noch ein As im Ärmel: Man hat VW in China als Marktführer verdrängt und nimmt weltweit Tesla ins Visier. Außerdem hat der Batteriespezialist u. a. auch Speicher im Programm.
Wie weit die Europäer angesichts der chinesischen Angriffswelle zu Kompromissen bereit sind, zeigt sich bereits in China: VW arbeitet mit Xpeng, BMW baut den neuen Mini mit Great Wall, Mercedes hat für den Smart Geely als Partner.
Sonstige Höhepunkte auf der IAA in München? VW zeigt einen elektrischen Golf GTI, Mercedes eine neue Modellfamilie (12 kWh Verbrauch/100 km), BMW kommt mit einer neuen Klasse (eigene Plattform), Renault mit dem Scenic E-Tech Electric und Opel kündigt an, ab 2025 alle Modelle vollelektrisch anzubieten.
Didi Hubmann