Wer regelmäßig bei Immobilieninseraten gustiert, nimmt eine Preisreduktion wahr. Eine Entwicklung, die es in der Vergangenheit nicht oft gegeben hat. "Seit 1945 lag der Preisanstieg bei Immobilien in den meisten Jahren über dem von anderen Gütern und Dienstleistungen", verweist Thomas Kircher von Raiffeisen Immobilien Kärnten auf einen Trend, der sich in der vergangenen Dekade noch verstärkt hat. "Seit 2010 haben sich die Immobilienpreise in ganz Österreich verdoppelt, während der heimische Verbraucherpreisindex nur um etwa 20 Prozent anstieg."
Beinah die Hälfte dieser Verdoppelungen der Immobilienpreise fällt auf die Zeit der Corona-Pandemie: "2020, 2021 und in der ersten Jahreshälfte 2022 gab es zweistellige Preiszuwächse fast im ganzen Bundesgebiet und bei allen Objektarten." Da sei es immer wieder vorgekommen, dass dieselben Objekte fast zum doppelten Preis wie noch einige Jahre zuvor wieder verkauft wurden. "Die Verkäufer verlangten es, die Käufer zahlten es", sagt Kircher. Spätestens seit Herbst 2022 ist die Preisrallye aber aus mittlerweile gut bekannten Gründen vorbei. Stichwort Zinsanstieg und strengere Kreditvergabestandards. In vielen Fällen stellt sich nun die Frage: Viel zu teuer gekauft? Entpuppt sich die Investition ins Eigenheim rein rechnerisch schon als Verlustgeschichte?
Die brandneue Studie von Raiffeisen Research kommt zum Schluss: Die Immobilienpreise haben in Österreich im zweiten Quartal stagniert. Dabei dürfe aber nicht übersehen werden, dass in Zeiten hoher Inflation selbst stagnierende Preise mit einem satten realen Wertverlust einhergehen. "Zudem ist die Stabilität der Preise maßgeblich neuen Objekten geschuldet, während der Altbestand seit letztem Herbst bereits eine deutliche Preiskorrektur erfahren hat."
Inflation als größere Gefahr
Der Wifo-Ökonom Michael Klien sagt dazu: "Nach dem Preishöchststand 2022 haben die Immobilienpreise schon hie und da in Österreich ein Stück nachgegeben, aber das ist nichts im Vergleich zu den Steigerungsraten in den Vorjahren." Selbst wenn man annehmen würde, dass die Immobilienpreise heuer um zehn Prozent zurückgehen – worauf es keinen Hinweis in den Daten gebe – würde das nur ein Jahr der Coronaphase umkehren, da es zwei Jahre mit zehnprozentiger Preissteigerung gegeben habe. Klien: "Die nominellen Rückgänge waren bisher sehr schwach, und wir gehen für die nächste Zeit nicht von sehr starken Rückgängen aus."
Auch er kommt unweigerlich zum Thema Inflation: "Wenn Immobilien gleich viel wert bleiben, machen sechs, sieben oder acht Prozent Inflation über mehrere Jahre die Entwertung eher real." Eine "Blase" im Sinne eines Rückgangs der Immobilienwerte auf dem Papier platze dadurch nicht. Investoren, die vor Kurzem eine Immobilie als Investment gekauft haben, könnten freilich, wie der Ökonom erklärt, leichte Rückgänge sehen – für die nächsten Jahre sei eine eher gedämpfte Entwicklung anzunehmen.
Die meisten Immobilien in Österreich werden freilich für den Eigengebrauch gekauft und da ist es für die Person, die darin wohnt, nicht so wichtig, wie sich der Wert der Immobilie auf dem Papier entwickelt. "Das mag in anderen Ländern wichtiger sein, wo die Immobilie als Besicherung gedient hat und möglicherweise Nachschusspflichten bestanden haben, in Österreich ist das ja selten der Fall", sagt Klien, solange die Menschen nicht arbeitslos werden oder Probleme mit der Rückzahlung ihres Kredites bekommen, spiele die nominelle Wertentwicklung der gekauften Immobilie eigentlich keine Rolle.
Das Dach über dem Kopf
Andreas Glettler, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien Steiermark, sagt dazu: "Die Menschen wünschen sich Sicherheit. Ein Dach über dem Kopf, ja vielleicht sogar im Eigentum, gibt diese Sicherheit und zählt zu unseren menschlichen Grundbedürfnissen." Immobilieneigentum sichere Unabhängigkeit, schütze vor unvorhergesehenen Mietpreisentwicklungen und beuge der Gefahr von Altersarmut vor.
Ging es früher einmal bei der Immobiliensuche vorrangig um die "richtige Lage", ist jetzt, wie Glettler betont, die Leistbarkeit zum beherrschenden Thema geworden – "und Kompromissbereitschaft setzt sich durch". Auch seien nicht mehr die Quadratmeter für Käufer entscheidend, sondern funktionelle und gut durchdachte Grundrisse sowie niedrige Bewirtschaftungs- bzw. Betriebskosten.