Österreichs Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2023 stärker zurückgegangen als erwartet. Laut Berechnungen der Statistik Austria sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real im Vergleich zum Vorjahresquartal um 1,1 Prozent, hieß es in einer Aussendung am Freitag. Das sei vor allem auf die rückläufige Wirtschaftsleistung von Handel und Industrie zurückzuführen. Das Wifo war Ende Juli lediglich von einem Minus von 0,3 Prozent ausgegangen.

"Dennoch liegt Österreichs Wirtschaft 3,2 Prozent über dem Corona-Vorkrisenniveau", erläuterte Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas laut Aussendung. Im Vergleich zum ersten Quartal schrumpfte Österreichs Wirtschaft um 0,7 Prozent. Deutlich über dem Vorkrisenniveau sind etwa die Bereiche Sonstige Dienstleistungen wie Friseure, Kultur und Glücksspiel, der Bereich Information und Kommunikation, die Land- und Forstwirtschaft, die Herstellung von Waren, Bergbau und Energiewesen sowie Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.

Industrie besonders unter Druck

Die Industrie trug mit einem Rückgang um 2 Prozent zur schwächeren Wirtschaftsleistung bei, der Handel wirkte sich mit minus 6,7 Prozent negativ aus. Der Bereich Öffentliche Verwaltung, Bildung und Gesundheit dämpfte mit einem Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal den Rückgang. Im Juli - also zu Beginn des dritten Quartals - verzeichnete die Industrie laut Statistik Austria gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Rückgang um 11,4 Prozent. Der Bau hingegen legte um 6,1 Prozent zu. Dadurch ergebe sich für den Produzierenden Bereich ein Rückgang um 6,1 Prozent.

Die Insolvenzen stiegen im ersten Halbjahr wieder auf Vorkrisenniveau, wobei nicht alle Branchen gleichermaßen davon betroffen waren: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen die Insolvenzen bei Finanzdienstleistungen und sonstige Dienstleistungen um 20,3 Prozent. Im Bereich Beherbergungen und Gastronomie stiegen die Insolvenzen um 20 Prozent und bei der Sachgütererzeugung um 19,2 Prozent. Beim Verkehr gab es hingegen 3,7 Prozent weniger Insolvenzen.

Sinkende Tendenz

Bei der Inflation sei eine sinkende Tendenz zu erkennen. Im August lag die Inflation laut Schnellschätzung bei 7,5 Prozent. Dass die Inflationsrate in Österreich höher als im EU-Schnitt sei, liege an der Preisentwicklung bei der Haushaltsenergie und der Miete. Rechnet man diese zwei Positionen heraus, liegt Österreich im EU-Schnitt, so Ingolf Böttcher, Leiter der Direktion Volkswirtschaft bei der Statistik Austria. In einigen Bereichen wie etwa Telekommunikation und Treibstoffe schneidet Österreicher besser ab als andere EU-Länder.

In Österreich zählen Haushaltsenergie, Gastro und Nahrungsmittel zu den Inflationstreibern - auch wenn die Energie im Juli erstmals leicht inflationsdämpfend wirkte. Im Juli kostete die Beherbergung um 16,5 Prozent mehr als Anfang 2022. Für Wein müssen Konsumenten um 17,3 Prozent mehr bezahlen. Bankgebühren stiegen um 15,9 Prozent und die Haushaltsenergie verteuerte sich um 15,2 Prozent. Ab diesem Monat sollte die Inflation aufgrund des Basiseffektes - des Preisanstieges bei Haushaltsenergie im September 2022 - spürbar sinken.

Beim Außenhandel weist Österreich für Jänner bis Mai ein Plus auf: Die Importe legten um 0,1 Prozent zu, die Exporte um 6,2 Prozent. Im Mai ist der Außenhandel jedoch in beiden Handelsrichtungen zurückgegangen. Gegenüber dem Corona-Vorkrisenniveau sind die Importe jedoch um 27 Prozent und die Exporte um 26,6 Prozent gestiegen.

"Unterlassene Hilfeleistung der Regierung"

Für die Oppositionsparteien ist der Rückgang der Wirtschaftsleistung ein Zeichen für eine falsche Politik. "Die unterlassene Hilfeleistung der Regierung hat brutale Folgen", so SPÖ-Parteichef Andreas Babler in einer Aussendung, "Täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften". Weiters merkte er an: "Österreich braucht eine Regierung, die sich wieder um unsere Leute kümmert, die aktiv eingreift, die Preise senkt und die Konjunktur stabilisiert".

Ähnlich argumentierte auch FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl: "Wie oft auch immer diese Regierung behauptet, dass Österreichs Wirtschaft gut dasteht – die nackten Zahlen sehen anders aus und belegen das Versagen dieser schwarz-grünen Bundesregierung eindeutig". Und FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger sagte laut einer Aussendung. "Die Österreicher brauchen nun endlich diese Preisbremse mit umfassenden Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe und auch ein sofortiges Aus dieser Russland-Sanktionen, die vor allem bei der Entwicklung der Preise für Energie und Treibstoffen als Brandbeschleuniger wirken."