Nicht nur in der Regierung wurden in den vergangenen Tagen Programme kurzfristig geändert, um bei der Nationalratsitzung zur Teuerung die Nachrichtenhoheit zu verteidigen. Auch die Arbeiterkammer stangelte ihr Programm am Dienstag kurzfristig um, verlegte eine für Mittwochabend geplante Pressekonferenz vor. Der Anlass: FPÖ-Chef Herbert Kickl stellte vor einigen Tagen die Pflichtmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer nicht nur infrage, er kündigte für die Sondersitzung auch einen Antrag zu Abschaffung an.

Für Arbeiterkammer-Direktorin Silvia Hruska-Frank ein Frontalangriff. Denn wer das fordere, wolle die Zerschlagung der Arbeiterkammer. Und das gehe voll auf die Kosten der Schwächsten in der Gesellschaft, sagt sie. Die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer hatte die FPÖ schon vor vielen Jahren öfter erfolglos attackiert.

"Systemprägend"

Später in dem Hintergrundgespräch sagt Hruska-Frank ungeschminkt zu den Pflichtmitgliedschaften: "Niemand, der ganz bei Trost ist, stellt das infrage." Die Sozialpartnerschaft decke in Österreich über die Kollektivverträge 98 Prozent aller Arbeitsverhältnisse ab, "das ist systemprägend", so Hruska-Frank. Bei der Großpleite von Kika-Leiner habe man den Tausenden Arbeitnehmern extrem schnell geholfen, das könne nur eine starke Organisation. "Wir müssen uns mit jedem anlegen können, um den Schwächsten zu helfen", so Hruska-Frank im Hinblick auf zahlreiche Klagen, die die AK im Namen ihrer Mitglieder anstrengt.    

Schon im Vorfeld hatte die FPÖ die Kammern als "Inflationsgewinnler" angegriffen. Ein hohes Beschäftigungsniveau und auch die kräftigen Lohnerhöhungen im Vorjahr hatten die Einnahmen der insgesamt neun selbstständigen Arbeiterkammern in jedem Bundesland im Vorjahr insgesamt um 5,6 Prozent steigen lassen. "Also deutlich weniger als die Inflation", betont Hruska-Frank.

Wie die 565,5 Millionen Euro Einnahmen verwendet wurden, schlüsselt die AK-Direktorin in dem Hintergrundgespräch detailliert auf, so ist die Kammer zu sehr hohen gesetzlichen Rückstellungen verpflichtet und muss eigenständig Rücklagen für Investitionen bilden. Die Rückstellungen summierten sich 2022 auf immerhin 335 Millionen Euro, die Rücklagen auf rund 192 Millionen Euro. "Wir sind solide und gut aufgestellt, aber alles andere als reich", erklärt die AK-Topmanagerin. "Was man uns wegnimmt, nimmt man als Leistung für die Mitglieder weg." 

Die Beiträge, die jeder einzelne Arbeitnehmer dafür leistet, hängen von der Gehaltshöhe ab. Im Normalfall gehen zwölfmal im Jahr 0,5 Prozent des Gehalts an die AK, maximal 16 Euro pro Monat. Von den vier Millionen Mitgliedern zahlt ein Viertel gar keine Beiträge. In den vergangenen 20 Jahren stieg die Mitgliederzahl von drei auf vier Millionen. 2,2 Beratungen macht die AK jährlich, 8.300 am Tag. Hruska-Frank: "Ohne AK wäre niemand da, der diese Position einnehmen könnte." Das wahre Vermögen seien die AK-Mitarbeiter mit ihrer Expertise. 

"Nicht verzockt"

Die Behauptung, Vermögen "verzockt" zu haben, stuft die AK-Direktorin nicht nur als "schlicht falsch", sondern als "rufschädigend" ein. So hatte sich Kickl auf 5,384 Millionen Euro "Aufwendungen aus Wertpapieren" eingeschossen, wo sich die AK verzockt habe. Die bilanztechnische Aufklärung von Hruska-Frank dazu: Die AK hat ein Depot extrem risikoarmer Wertpapiere wie beispielsweise langfristige Bundesanleihen mit einem garantierten Zins zu einem bestimmten Ablaufdatum. Der Wert dieses Pakets schwankt aber mit dem Markt. Dieser Buchwert musste im Vorjahr korrigiert werden. Ein Verkauf des Depots komme nicht infrage.