Sie sei "draußen zu Hause", sagt Manuela Waldner. "Privat, aber auch beruflich", ergänzt die Verantwortliche für Finanzen in der ÖBB Holding. Am 1. Juli rückte die in Wien lebende Kärntnerin als erste Frau in den Holdingvorstand der ÖBB auf. Als CFO steuert sie mit dem – ebenfalls aus Villach stammenden – CEO Andreas Matthä die Geschicke der strategischen Bahnholding. Sie erlebe gerne "an der Front, wo es hakt", sagt die 42-Jährige, die bereits Verschiebern, Lokomotivführern und Fahrdienstleitern einen Besuch abstattete.
Zu sehen, wie sehr sich alle bemühten, ihr Bestes zu geben, ringe ihr Respekt ab. Ähnliches gilt wohl auch für die Absolventin der HTL Villach. Nach der Matura arbeitete Waldner in einem Zivilingenieurbüro in Villach, übernahm etwa die Aufsicht bei Tunnel- und Brückenbauprojekten. Das erwachende wirtschaftliche Interesse stillte sie mit einem BWL-Studium an der Uni Graz. Danach wechselte sie zu den Wirtschaftsprüfern der KPMG, ehe sie 2009 bei der Boston Consulting Group (BCG) andockte.
Mit der Beratung von Industrie- und Eisenbahnunternehmen empfahl sich Waldner, die zuletzt Partnerin und Geschäftsführerin der BCG war, auch für die Führungsposition bei den ÖBB. "Die Bahn ist eine extrem spannende Branche – es ist alles andere als unkomplex, Züge sicher zum Fahren zu bringen", sagt Waldner.
Die Zahl der Schnittstellen ist enorm
Die ÖBB sind in Teilbereiche, etwa für Personen- oder Güterverkehr, gegliedert, die Holding habe die Aufgabe, "dass die einzelnen Räder ineinandergreifen". Die Zahl der Schnittstellen sei enorm. In Summe arbeiten 42.000 Personen bei den ÖBB. Hinzu kämen "Mammutprojekte", so Waldner. "Als CFO ist es meine Aufgabe, dass all diese Projekte nachhaltig finanziert werden." Und derer gibt es viele. Dutzende neue City-, Rail- und Nightjets sollen dabei helfen, das stark steigende Interesse an Bahnreisen zu bewältigen. Die hohe Nachfrage, die sich in überfüllten Zügen zeigt, nennt Waldner ein "sehr schönes Problem". Man habe es geschafft, Starkreisetage besser abzufedern, dennoch gingen in den Zügen bisweilen Emotionen hoch. Es gebe aber "Licht am Ende des Tunnels", 4,7 Milliarden Euro investieren die ÖBB in neue Züge bis 2030. "Ich appelliere, durchzuhalten, bis wir die neuen Züge bekommen."
Hunderte neue Beschäftigte pro Jahr im Süden
1,6 Milliarden Euro fließen in die Verwirklichung des Plans der ÖBB, bis 2030 die Eigenversorgung mit grünem Bahnstrom von 60 auf 80 Prozent zu steigern. Auch gilt es, angesichts der rollenden Pensionierungswelle in den nächsten fünf Jahren 18.000 neue Beschäftigte aufzunehmen – allein in Kärnten sind es 140 pro Jahr, in der Steiermark 250. Ein weiteres Großprojekt löst bei Waldner, auch angesichts ihrer kärntnerisch-steirischen Wurzeln, Vorfreude aus: die Koralmbahn, die ab Ende 2025 den Wirtschaftsraum Süd aufwerten werde.
Stationen fügen sich "wie ein Puzzle" aneinander
Die Stationen in ihrem bisherigen Leben würden sich "wie ein Puzzle" aneinanderfügen, sagt Waldner. Diskussionen, ob es für ein Mädchen nicht ungewöhnlich sei, eine HTL mit Tiefbauschwerpunkt zu absolvieren, gab es zu Hause nie. "Meine Eltern haben das nicht hinterfragt." Sie sei ihnen auch dafür dankbar, dass sie "es geschafft haben, mich mit einem gesunden Selbstvertrauen auszustatten", meint Waldner. Das demonstriert sie auch bei ihrer ganz großen Leidenschaft, dem Bergsteigen. Sie bewältigte eine Reihe von Bergabenteuern wie die Bezwingung des Ortlers über den Hintergrat oder auch des Großglockners in Zweierseilschaften mit ihrem Mann.
Mutter zweier Töchter
Ganz einfach sei der Umstieg aus der Beratungsbranche in das größte Verkehrsunternehmen des Landes nicht, aber "ich habe mich drüber getraut, diese Aufgabe, meinen Traumjob, anzunehmen", so Waldner. In der Beratung lerne man schließlich, sich schnell in Themen einzuarbeiten und zu fokussieren, um Ziele zu erreichen.
Von sich aus thematisierte Waldner im Gespräch mit der Kleinen Zeitung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie ist Mutter zweier Töchter, drei Jahre und ein Jahr jung. "Das ist nur möglich, wenn man einen Mann hat, der das voll unterstützt." Ihr aus dem Gailtal in Kärnten stammender Ehemann – "der Mann, den ich am ersten Uni-Tag kennenlernte" – sei zwar selbst als Geschäftsführer beruflich sehr eingespannt. "Aber er ist ein besserer Hausmann, ganz sicher ein besserer Koch als ich."