Die Arbeiterkammer (AK) und die SPÖ nehmen die heimischen Kreditinstitute mit Blick auf die breite Zinsschere in die Pflicht. Die Banken müssten Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer unterstützen, die durch die stark gestiegenen Zinsen unter Druck geraten sind, fordert die AK. Die SPÖ ortet ein Marktversagen und spricht sich für Mindestzinsen auf Spareinlagen aus. Die Geldhäuser selbst deuteten zuletzt zumindest für die Kreditnehmer ein Entgegenkommen an. Die Banken haben bereits reagiert und wollen heute konkrete Maßnahmen für Kreditnehmer präsentieren, die aufgrund der steigenden Zinsen in die Bredouille geraten sind.
"Da sind wir schon sehr gespannt, wie sie das machen werden, was sie anbieten werden, da werden wir ein Auge darauf haben", zeigte sich Gabriele Zgubic von der AK-Konsumentenpolitik im Ö1-"Morgenjournal" abwartend. "Es gibt die Möglichkeit, dass man die Laufzeit verlängert, dann sind die monatlichen Kreditraten niedriger. Man kann befristet stunden, man kann schauen, gibt es nicht doch einen Umstieg auf einen Fixzins." Hier Lösungen zu finden, sei im Eigeninteresse der Banken, so Zgubic.
1800 statt 1000 Euro Monatsrate
"1000 Euro Kreditrate waren es zu Beginn, jetzt sind 1800 Euro zu bezahlen, hinzu kommen noch vierteljährliche Sollzinszahlungen, die aktuell bei 3200 Euro liegen, – früher einmal waren es 320 Euro": Dieses Beispiel eines Paares in Niederösterreich, das laut Ö1-"Morgenjournal" einen 380.000-Euro-Kredit von einem Finanzberater vermittelt bekam (35 Jahre Laufzeit, voll variabel verzinst), zeigt, wie existenzgefährdend die Situation in vielen Fällen ist. In der Beratung sei ihnen nie vorgerechnet worden, was es bedeutet, wenn die Zinsen steigen, "auch von einem Fixzinssatz sei nie gesprochen worden". "Man hat uns nur gesagt, dass in den nächsten Jahren bei den Zinsen nicht viel passieren wird. Und beim variablen Zinssatz sind die Raten niedriger als bei fixen Zinsen. Wir haben einfach darauf vertraut, dass das schon so passt."
2300 Euro monatlich statt 1400 Euro
Ein ähnlicher Fall: Vor 1,5 Jahren kaufte das Paar ein kleines Haus in Niederösterreich, mit 385.000-Euro-Kredit, variabel verzinst, auf 30 Jahre. Aus 1400 Euro monatlicher Rückzahlung sind 2300 Euro monatliche Rate geworden, im kommenden Monat sei mit 2500 Euro zu rechnen. Der Betrag übersteigt das Gehalt des Mannes, die Frau arbeitet als Hilfsköchin. Zur Familie gehören Kinder und Tiere. "Stundungen oder Laufzeitverlängerung sind für uns keine Option, weil wir schon jetzt bis weit in die Pension hinein zurückzahlen." Man stehe "mit dem Rücken zur Wand", weil vermutlich auch beim Verkauf des Hauses Schulden übrig bleiben würden. "Wir ärgern uns, dass wir uns damals nicht besser informiert haben, was bei steigenden Zinsen passiert."
Zgubic im "Morgenjournal": "An der AK Wien haben wir mehrere Anfragen dieser Art pro Tag, und es werden täglich mehr."
Steiermark und Kärnten
Bei den AK-Experten von Kärnten und der Steiermark sind bisher nur wenige Anfragen von Konsumentinnen und Konsumenten eingegangen, die sich die Kreditraten nicht mehr leisten können. "Vielleicht ein, maximal zwei im Monat", sagt etwa Bettina Schrittwieser, die die AK Konsumentenschutz-Abteilung in der Steiermark leitet. "Etliche Anfragen gäbe es aber, ob die Erhöhungen der Kreditzinsen wohl richtig sind, weil sie so massiv ausgefallen sind", ergänzt Herwig Höfferer von der AK Kärnten.
Rechtliche Möglichkeiten
Grundsätzlich besteht, wie Schrittwieser betont, aus rechtlicher Sicht leider keine Möglichkeit einer einseitigen Änderung. Schrittwieser: "Nur dann, wenn die Bank bereit ist, den Betroffenen entgegenzukommen, kann zum Beispiel eine Verlängerung der Laufzeit und eventuell eine Umschuldung vorgenommen werden." Man wisse, dass einige betroffene Kreditnehmer auf einen Kredit mit Fixzinssatz umgestiegen sind. "Das bedeutet aber, dass ein neuer Vertrag abgeschlossen werden muss und damit auch Gebühren anfallen. Eine Laufzeitverlängerung wäre eventuell günstiger, aber man muss jeden Einzelfall gesondert anschauen, weil die Konditionen der Kreditinstitute je nach Einzelfall, wohl auch je nach Bonität, festgelegt werden. Gesetzliche Vorschriften für Änderungen eines laufenden Kreditvertrages gibt es nicht."
Sammelklagen
Die Sammelklagen-Plattform Cobin Claims prangert mit Blick auf variabel verzinste Kredite Beratungsfehler der Banken an und fordert ein "Moratorium bei Frankenkrediten". Details will der Verein bei einer Pressekonferenz am Mittwoch präsentieren. In Schutz genommen werden die Geldhäuser hingegen von Christoph Kirchmair, Gründer des Kreditberatungsunternehmen Infina, im Gespräch mit dem Ö1-"Mittagsjournal". Er sieht kein leichtfertiges Vorgehen der Banken. Niemand in der Branche habe den plötzlichen Anstieg der Inflation und damit verbunden der Zinsen kommen sehen. Die lange Zeit der niedrigen Zinsen seit der Finanzkrise 2008 sei auch der Grund, warum in Österreich der Großteil der Kredite variabel vergeben worden sei.
Geringe Strafzahlungen für Banken
Eine weitere mögliche Erklärung für den geringen Anteil an fixverzinslichten Krediten in Österreich sieht der Innsbrucker Universitätsprofessor Matthias Bank im Ö1-Interview in den relativ geringen Strafzahlungen, die fällig werden, wenn man hierzulande einen fixen Kredit frühzeitig zurückzahlt. Das mache diese Art von Kredit für die Banken wenig attraktiv. In Deutschland, wo die Strafzahlungen wesentlich höher seien, spielten fixverzinslichte Kredite eine wesentlich wichtigere Rolle.
EZB-Zinspolitik
Um die starke Inflation zu bekämpfen, hatte die Europäische Zentralbank (EZB) die Referenzzinssätze seit Mitte 2022 sukzessive angehoben. Viele Menschen, die sich zu variablen Zinsen verschuldet hatten, wurden davon kalt erwischt.
Niedrige Sparzinsen
Angeprangert werden aber nicht nur zu hohe Zinsen, sondern auch zu niedrige: nämlich auf der Sparerseite. "Zinsen für Kredite und Kontoüberziehungen explodieren, während Sparzinsen fast unverändert bleiben", kritisiert SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer in einer Aussendung und fordert einen gesetzlichen Mindestzins auf Spareinlagen. Das sei "weder links noch rechts, das ist vernünftig".
Italien rudert zurück
Mit Blick auf eine zuletzt viel diskutierte und in Italien angedachte Übergewinnsteuer auf Bankgewinne zeigt sich Krainer von der Rechtsaußen-Regierung in Rom enttäuscht: "An Stelle der angekündigten Übergewinnabschöpfung dürfte es dort laut Medienberichten nun doch eher zu einem Kuschelkurs der Regierung mit den Banken kommen."