Der US-Bezahlriese PayPal könnte mit seiner Kryptowährung PayPal USD genau dort Erfolg haben, wo das soziale Netzwerk Facebook mit seiner Cyberdevise noch gescheitert war. Denn PayPal hat in Washington umfangreiche Lobbyarbeit betrieben und ist dadurch in einer stärkeren Position als Facebook (nun Meta) es 2019 bei der Vorstellung seiner Kryptowährung Libra war, so die Einschätzung ehemaliger Mitarbeiter, Manager und Analysten.
Mehr Wissen über Stablecoins
Dazu kommt, dass die Politik inzwischen besser über die sogenannten Stablecoins informiert ist. Anstrengungen zur Schaffung einer landesweiten Regulierung von Stablecoins in den USA sorgen außerdem dafür, dass solche Cyberdevisen, die typischerweise an eine bestehende Währung gekoppelt sind, in den Augen von Abgeordneten an Legitimität gewonnen haben.
"Die Welt hat sich seit dem Libra-Projekt von Facebook dramatisch verändert", meint etwa Christopher Giancarlo, ehemaliger Chef der U.S. Commodity Futures Trading Commission. Damals sei man mit Stablecoins völlig unvertraut gewesen. Seitdem hätten die Regierung, der US-Kongress und auch die US-Notenbank aber Zeit gehabt, sich mit Kryptowährungen und deren Regulierung auseinanderzusetzen. "Und die Branche hat sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben, einschließlich einer Menge Lobbyarbeit", fügte er hinzu.
Facebook hatte heftigen Gegenwind
PayPal hatte unlängst angekündigt, mit PayPal USD eine an den Dollar gekoppelte Kryptowährung auf den Markt zu bringen. Der Zahlungsdienstleister ist damit nach Facebook der zweite weltweit operierende US-Großkonzern, der einen Stablecoin einführen will. Facebook hatte 2019 bei seiner Ankündigung weltweit heftigen Gegenwind von Regierungen und Aufsichtsbehörden zu spüren bekommen, und das Projekt wurde schließlich kräftig eingedampft.
Vorteile von PayPal
Doch während das soziale Netzwerk in Washington wegen Datenschutzproblemen und russischer Wahleinmischung immer wieder unter Beobachtung stand, gilt PayPal dort als ein etablierter Finanzdienstleister. Laut der Nichtregierungsorganisation OpenSecrets hat PayPal im vergangenen Jahr 1,13 Mio. Dollar (rund ein Mio. Euro) für Lobbyarbeit auf Bundesebene ausgegeben. PayPals Stablecoin, der von der Treuhandgesellschaft Paxos Trust herausgegeben wird, ist durch Dollareinlagen und US-Staatsanleihen abgesichert und unterliegt der Überwachung durch die Finanzaufsicht des Bundesstaates New York (NYSDFS).
"Aus politischer Sicht gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen Facebooks Libra und PayPals Stablecoin", meint Isaac Boltansky, Direktor für Politikforschung beim Brokerhaus BTIG. Es bestehe immer noch eine klare Abgrenzung zwischen Bankwesen und Handel. "Zu wissen, dass PayPal ganz klar auf einer Seite dieser Mauer steht, sollte daher die Gesetzgeber beruhigen."
"Nichts Bahnbrechendes für PayPal-Investoren"
PayPal verstehe sich als Innovationsführer im Bezahlwesen und Konzernchef Dan Schulman hoffe, dass sich die Kryptowährung als Zahlungsmittel durchsetzen wird, sagte eine mit PayPals Plänen vertraute Person. Der Konzern gehe allerdings davon aus, dass US-Kunden den Stablecoin zunächst vor allem für den Handel mit anderen Kryptowährungen auf seiner Plattform nutzen würden. Für PayPal-Investoren sei die geplante Kryptowährung deshalb keine bahnbrechende Neuheit, sagte Dan Dolev, Analyst bei Mizuho. "Es ist positiver Lärm."
Manche politischen Entscheidungsträger haben nach wie vor Bedenken. So äußerte sich etwa Maxine Waters, führende Demokratin im Ausschuss für Finanzdienstleistungen des US-Repräsentantenhauses, besorgt darüber, dass PayPal einen Stablecoin einführe ohne staatliche Aufsicht der Bundesbehörden zum Schutz der Verbraucher und zur Sicherung der Finanzstabilität. Die meisten Reaktionen in Washington fielen allerdings gedämpft aus.
Libra sollte Finanzsystem "revolutionieren"
Als Facebook damals Libra vorstellte, mit Geschäftssitz in der Schweiz und einer Kopplung der Cyberdevise an einen Währungskorb, hatte der Konzern keinen Hehl aus seinen Ambitionen gemacht und öffentlich erklärt, er wolle das globale Finanzsystem revolutionieren. Dies löste umgehend heftigen politischen Widerstand aus. Es grassierte die Furcht, dass das soziale Netzwerk zu viel Kontrolle über das Geldsystem bekommen und die Privatsphäre der Nutzer verletzen könnte. Aufsichtsbehörden wurden zudem auf dem falschen Fuß erwischt, weil unklar war, wer eigentlich zuständig sei.
Facebook verkleinerte schließlich das Projekt, benannte Libra um in Diem und verlegte das Geschäft in die USA, um die Genehmigung der dortigen Behörden zu erhalten. Zeitlich fiel das laut einem ehemaligen Beamten mit Kenntnis der Angelegenheit mit dem Übergang zur Regierung von US-Präsident Joe Biden im Jänner 2021 zusammen. Die US-Notenbank hätte sich da schon einige Zeit mit dem Thema befasst, doch die Entscheidung sei letztlich der neuen Finanzministerin Janet Yellen zugefallen. Yellen habe aber Zeit gewünscht, um die Sache gründlich zu analysieren, sagte der Insider. Müde des Wartens habe Facebook das Projekt schließlich im Jänner 2022 verkauft. Das Weiße Haus und die Fed lehnten eine Stellungnahme zu diesen Informationen ab.
Umfassender Regulierungsrahmen
Das US-Finanzministerium hat sich in den vergangenen zwei Jahren gründlich mit Kryptowährungen beschäftigt und Yellen hat den US-Kongress wiederholt aufgefordert, einen umfassenden Regulierungsrahmen zu schaffen, so ein Sprecher ihres Ministeriums. Nach dem Kollaps der Cyberdevise TerraUSD im vergangenen Jahr sagte Yellen, solche Kryptowährungen stellten kein systemisches Risiko dar. Seitdem sind Befürchtungen, derartige Cyberdevisen könnten traditionelles Geld verdrängen, zurückgegangen.
Die US-Notenbank hat inzwischen einen Prozess umrissen, wie staatliche Banken Transaktionen in Kryptowährungen handhaben sollten. Der Ausschuss für Finanzdienstleistungen des US-Repräsentantenhauses legte im Juli einen Gesetzesentwurf vor, der der Notenbank mehr Befugnisse zur Überwachung der Stablecoins einräumt, zugleich aber die Autorität der staatlichen Regulierungsbehörden beibehält. Der Kongress müsse nun schnell handeln, um den Gesetzesentwurf zu verabschieden, "damit Stablecoins in der Lage sind, ihr volles Potenzial auszuschöpfen", sagte der republikanische Vorsitzende des Ausschusses, Patrick McHenry.