Die Diskussion über steigende Zinsüberschüsse der Banken, also hohe Kredit- und niedrige Sparzinsen, hat nun auch die Regierung auf den Plan gerufen. Das Sozialministerium hat den Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit einer Verbandsklage gegen den Bankensektor beauftragt. Bankenexperten sehen die Erfolgsaussichten der Klage kritisch. SPÖ und FPÖ fordern einen gesetzlichen Eingriff, eine Klage dauere zu lange.
Für Bankenexperte Stefan Pichler von der Wirtschaftsuni Wien ist die zentrale Frage, ob die Banken hier so etwas wie Übergewinne machen. Also Gewinne, die im historischen Rahmen im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt außerordentlich hoch sind. "Diese Frage ist eindeutig mit Nein zu beantworten", sagte Pichler am Mittwoch in einem Beitrag des Ö-1-"Mittagsjournals". Die jüngsten Zinsüberschüsse würden sich im langjährigen Durchschnitt bewegen. Der Bankenexperte hält zudem wenig vom Vergleich Haben- und Sollzinsen am Girokonto. Das seien Äpfel und Birnen. Aus Sicht der Banken seien Kontoüberziehungen das riskanteste Kreditprodukt mit der höchsten Ausfallquote und deshalb teuer verzinst, so Pichler.
Girokonto ein Zahlungsverkehrsinstrument
Auch Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer, weist im Ö-1-Beitrag darauf hin, dass ein Girokonto ein Zahlungsverkehrsinstrument und kein Veranlagungsinstrument sei. Zur Klage selbst äußerte sich Rudorfer nicht. Sie liege ihm noch nicht vor, daher könne er sie inhaltlich auch noch nicht kommentieren.
Laut Wifo-Bankenexperte Thomas Url könnte die Klage erfolgreich sein, wenn man nachweisen könnte, dass die Banken es ausnutzen, dass Kundinnen und Kunden Guthaben auf ihrem Girokonto liegen lassen, sei es aus Bequemlichkeit oder aus Scheu vorm Investieren. Den Banken könnten dann Strafzahlungen winken. Url denkt aber nicht, dass es möglich ist, den Banken die Gebührenmodelle vorzuschreiben.
"Zinssatzsenkung bei Kontoüberziehungen"
Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ wiederum üben Kritik an Konsumentenschutzminister Johannes Rauch (Grüne). Der Minister solle gesetzlich eingreifen, eine Klage dauere Monate. Andere EU-Staaten würden mit einer scharfen Aufsicht, Mindestzinsen auf Sparguthaben oder einer Übergewinnsteuer für Banken eingreifen, so SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Christian Drobits. Die Freiheitlichen fordern eine Zinssatzsenkung bei Kontoüberziehungen auf fünf Prozent und hätten dazu bereits 2020 erstmals einen Antrag im Nationalrat eingebracht, der bis dato viermal von ÖVP und Grünen vertagt worden sei, kritisierte FPÖ-Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm.
Der VKI hat bereits im Juni die Bank Austria stellvertretend für die gesamte Branche abgemahnt, bisher jedoch erfolglos. "Dass Banken die Sollzinsen ständig nach oben schrauben, die Habenzinsen aber bei null lassen, ist inakzeptabel. Hier werden Gewinne auf Kosten der Konsumentinnen und Konsumenten gemacht", so Sozialminister Rauch am gestrigen Feiertag. Er sei zuversichtlich, dass diese "unzulässigen Geschäftspraktiken" gerichtlich untersagt werden.
Entscheidung der ersten Instanz heuer
Banken verrechnen laut einer von der Arbeiterkammer (AK) geführten Vergleichswebseite Sollzinsen zwischen 6,75 und 13,25 Prozent. Die Habenzinsen auf Gehaltskonten liegen zwischen 0 und 0,1 Prozent. Mit einer Entscheidung der ersten Instanz wird noch heuer gerechnet.
"Es ist offensichtlich, dass diese Geschäftspraxis die gesamte österreichische Bankenbranche betrifft", kritisierte Rauch. "Ich habe den VKI daher beauftragt, dagegen juristisch vorzugehen." Schließlich seien "Konsumentinnen und Konsumenten auf ein Girokonto angewiesen", so Rauch. Und Banken nützten diese Abhängigkeit mit ihrer Geschäftspolitik.
Rechtliche Maßnahmen auch bei Sparzinsen
Bei den Sparzinsen haben die Banken die Zinsen angepasst oder eine Änderung angekündigt. Das Ministerium kündigte an, die Situation im September 2023 nochmals zu überprüfen. Dann soll entschieden werden, ob rechtliche Maßnahmen auch bei Sparzinsen ergriffen werden. "Wir werden die Geschäftspolitik der österreichischen Banken weiter beobachten und konsequent einschreiten, wenn wir Nachteile für die Konsumentinnen und Konsumenten sehen", kündigte Rauch an.