Die Mieten erhöhen sich meist parallel zur Inflation aufgrund sogenannter Indexklauseln in Mietverträgen. Da die Inflation in den letzten ein bis zwei Jahren regelmäßig bei rund zehn Prozent lag, sind auch die Mieten rasant angestiegen. Aktuelle Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH) stellen diese Inflationsanpassungen jedoch auf eine harte Probe, wie der Wiener Rechtsanwalt Oliver Peschel betont. Nach Ansicht des OGH seien viele dieser Indexklauseln rechtswidrig, da sie nicht den Regelungen des Konsumentenschutzgesetzes entsprechen. Die Arbeiterkammer, die das Urteil des Obersten Gerichtshofs erwirkt hat, räumt dem Vorstoß Chancen ein, berichtet Ö1 Freitag früh. Laut AK sollte es innerhalb eines Jahres Rechtssicherheit geben.
Mieter, die von Unternehmen mieten
"Das bedeutet, dass in derartigen Fällen nur der ursprünglich vereinbarte Mietzins Gültigkeit hat. Die zu viel bezahlte Miete kann zurückgefordert werden und es darf auch zukünftig nur der ursprünglich vereinbarte Mietzins verlangt werden", erklärt Peschel, warum er sich entschlossen hat, eine österreichweite Sammelklage für Mieterinnen und Mieter zu starten, die von einer Inflationserhöhung betroffen waren. Wer sich an der Sammelklage beteiligen möchte, kann sich hier anmelden. Die Sammelklage zielt auf Personen ab, die von Unternehmen mieten und einen privaten Mietvertrag mit Indexklauseln zur Inflationsanpassung haben. Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied aufgrund einer von der Arbeiterkammer (AK) angestrengten Klage gegen Mustermietverträge.
Rückforderung für 30 Jahre
"Wir gehen davon aus, dass eine große Zahl an Mietverträgen in ganz Österreich betroffen ist. Laut unserer Schätzung sind Hunderttausende Indexklauseln rechtswidrig. Eine Rückforderung ist für die letzten 30 Jahre möglich", sagt der Anwalt. Die Kanzlei arbeite mit etablierten Rechtsschutzversicherungen und Prozesskostenfinanzierern zusammen, um allen betroffenen Österreicherinnen und Österreichern eine Mietbremse und eine Mietrückforderung zu ermöglichen. Peschel sagte im Gespräch mit der APA, dass den Sammelklage-Teilnehmenden keine Kosten entstehen sollten. Das sei gesichert, wenn die Rechtsschutzversicherung einen Mietrechtsschutz beinhalte. Ohne Versicherung muss man den Prozessfinanzierern bei Erfolg der Klage am Ende gegebenenfalls einen Teil des Erfolges abgeben.
Zweifel in Fachkreisen
Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) hat Zweifel an Peschels Rechtsmeinung. "Welche Auswirkungen die beiden Urteile des OGH auf bestehende Verträge haben, ist auch in Fachkreisen höchst umstritten. Die Sonderbestimmungen des Mietrechts beschränken die Rückforderbarkeit auf drei Jahre", heißt es in einer Aussendung des ÖVI.
Die Ankündigung der Sammelklage wurde vom ÖVI umgehend massiv hinterfragt. "Sowohl die betreffende Aussendung als auch der werbliche Auftritt im Internet in Kooperation mit geschäftssinnigen Prozessfinanzierern erwecken bei Tausenden Mietern die Erwartung, dass ihre Wertsicherungsvereinbarung im Mietvertrag definitiv ungültig sei und die Beträge der letzten 30 Jahre zurückgefordert werden können. Mehr als fraglich ist, ob der OGH das wirklich im konkreten Einzelfall auch so entscheiden wird."
Überraschendes OGH-Urteil
"Die für alle Wohnrechtsexperten überraschenden Aussagen des OGH in den Entscheidungen, in denen Musterformulierungen im Rahmen eines Abmahnverfahrens als intransparent bzw. gröblich benachteiligend angesehen wurden, haben kreative, über das Ziel hinausschießende Ideen befördert, die einer sachlichen Grundlage entbehren", so ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel in einer Aussendung.
Mietverhältnisse seien auf lange Dauer angelegt. Der OGH habe erst vor wenigen Jahren das legitime Interesse des Vermieters bestätigt, dass bei Dauerschuldverhältnissen eine Wertsicherungsvereinbarung getroffen wird. Um die Erhaltung und Verbesserung der Gebäude zu sichern, sei eine Indexvereinbarung unumgänglich.
Rechtsunsicherheit
Immobilientreuhänder seien seit Jahren mit einer großen Rechtsunsicherheit konfrontiert, moniert der ÖVI. Es könne ihnen kein Vorwurf mehr gemacht werden, wenn sie den Vermietern zum Abschluss von kurzfristigen Verträgen rieten. Vor allem bei Richtwertmietverträgen könnten weder Mieter noch Vermieter sicher sein, dass sie eine gesetzeskonforme Vereinbarung getroffen hätten. "Das Damoklesschwert der rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit von Klauseln, die jahrzehntelang nach bestem Wissen und Gewissen vereinbart wurden, macht langfristige Mietverträge völlig unkalkulierbar."