Die generelle Personalnot trifft auch die Industrie. "Es ist nach wie vor eine große Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, auch wenn wir in einzelnen Bereichen, und regional unterschiedlich, wieder ein größeres Arbeitskräfteangebot aufgrund des eingesetzten Wirtschaftsabschwungs sehen", sagte der Konzernsprecher des Stahlkonzerns voestalpine, Peter Felsbach, zur APA. Zu Sommerbeginn suchte das Unternehmen 3000 Fachkräfte.

Aktuell seien bei dem Unternehmen alleine in Österreich etwa 400 offene Jobs ausgeschrieben – davon jeweils etwa 170 in Oberösterreich und der Steiermark sowie rund 60 in Niederösterreich.

"Der Fachkräftemangel ist aus unserer Sicht kein österreichisches Phänomen – das Personalrecruiting ist in vielen Regionen schwierig", berichtete Felsbach. Im internationalen Vergleich soll es in Europa besonders herausfordernd sein, die geeigneten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finden. Der Konzernsprecher strich diesbezüglich neben Österreich beispielsweise Deutschland hervor. Aber auch die USA.

"Die demografische Entwicklung ist einer der Gründe dafür", so Felsbach. "Wir sehen in vielen Wirtschaftsregionen den steigenden Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern."

"Investieren kräftig in Aus- und Weiterbildung"

Mit dem Wegfall der geburtenstarken Babyboomer-Generation, die nun sukzessive in Pension geht, verschärft sich das Personalproblem in der Wirtschaft zusehends. In Österreich sucht die voestalpine den Angaben zufolge jährlich etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Konzernweit wurden im per Ende März abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 rund 6700 neue Beschäftigungsverhältnisse abgeschlossen, inklusive interne Konzernwechsel.

International ist der Stahlriese Arbeitgeber für derzeit 51.200 Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) in 50 Ländern, 23.000 davon (45,3 Prozent) entfallen auf Österreich.

"Wir investieren kräftig in Aus- und Weiterbildung", sagte Felsbach. Über den ganzen Konzern hinweg machte das Stahltechnologieunternehmen dafür im Geschäftsjahr 2023/24 über 60 Millionen Euro locker. Gut 81 Prozent aller Beschäftigten nahmen den Angaben zufolge Maßnahmen aus dem Angebot in Anspruch.

Weltweit rund 1400 Lehrlinge

Die voestalpine zählt sich zu den größten industriellen Lehrlingsausbildnern Österreichs und betreibt hierzulande Ausbildungszentren an 15 Standorten. Dort werden im Moment rund 940 Lehrlinge in 30 Berufen ausgebildet – weltweit sind es 1400 Lehrlinge in 50 Lehrberufen.

Der nächste Jahrgang startet im Herbst mit geplant 400 neuen Lehrlingen in Österreich – das sind mehr als im Schnitt der Jahre davor mit rund 350 Neuaufnahmen. Für den September seien nahezu alle Stellen besetzt, hieß es aus dem Konzern. Die Bedarfe könnten sich aber auch unterjährig laufend verändern.

Das Budget, das der Industriebetrieb pro Lehrling in Summe ausgibt, wurde in den vergangenen Jahren von 70.000 auf über 90.000 Euro aufgestockt. Aktuell seien 17 Prozent der technischen Lehrlinge weiblich. In Österreich liege der Frauenanteil bei technischen Berufen bei 19 Prozent, international bei 23 Prozent.

Edelstahlwerk geht heuer in Vollbetrieb

"Besonders wichtig ist uns auch die weitere Steigerung des Frauenanteils auf allen Ebenen – von den technischen Berufen bis hin zu den Führungskräften", betonte der Konzernsprecher. Im Vorstand der voestalpine sitzt vorerst noch keine einzige Frau.

Zur "Sicherstellung der Fachkräfteausbildung in der Steiermark" errichtet die Voest in Kapfenberg derzeit ein neues Wohnhaus für rund 60 Lehrlinge – Baustart ist jetzt im Sommer. 2025 ist der Lehrlingscampus laut aktueller Planung fertig.

An dem steirischen Standort soll heuer weiters das neue Edelstahlwerk in Vollbetrieb gehen, in dem jährlich 205.000 Tonnen Spezialstähle für die internationale Luftfahrt-, Öl- und Gas-, Automobil- und Werkzeugbauindustrie produziert werden können. Das hochautomatisierte Werk, das bis zu 455 Millionen Euro kostet, soll in Kapfenberg insgesamt 3500 Jobs sichern.

Rund-um-die-Uhr-Betreuung für Kinder

Auch in Oberösterreich setzt der Konzern weitere Schritte, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Ab September bietet die voestalpine in Linz als erster heimischer Industriebetrieb eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung für Kinder bis zwölf Jahre an. Das Angebot richtet sich an Eltern, die im Schichtdienst tätig sind und gilt auch an Wochenenden und Feiertagen.

Die dafür benötigten Räumlichkeiten befinden sich in der Krabbelstube beziehungsweise im Kindergarten des Werks. Gestartet werde das familiär gestaltete Betreuungsangebot für vorerst acht Kinder, es könne noch erweitert werden. Parallel dazu wurden die Kapazitäten in der Tagesbetreuung heuer im Mai von 90 auf 200 Plätze aufgestockt.

Die anstrengende Schichtarbeit hat die voestalpine bereits in den vergangenen Jahren flexibilisiert. Es gibt verschiedene Arbeitszeitmodelle, wie etwa eine angepasste 4er-Schicht und das sogenannte Fünf-Schicht-Modell. Ziel waren neue Arbeitszeiten mit mehr Erholungsphasen – weg von den hohen Stundenzahlen in Richtung 32 Wochenstunden. Das bringt einen größeren Freizeitblock und weniger Nachtschichten, aber auch weniger Geld. Generell wird es zusehends schwierig, Leute zu finden, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten wollen.

Weitere Zeichen der Zeit: Auch der Klimawandel schlägt sich auf das Recruiting nieder. Der voestalpine, die als energieintensiver Konzern einer der größten CO₂-Emittenten Österreichs ist, haftet naturgemäß ein industrielles Image an. Das Unternehmen arbeitet bereits intensiv daran, seine CO₂-Emissionen ab 2027 um bis zu 30 Prozent beziehungsweise vier Millionen Tonnen zu reduzieren. Der Beitrag der voestalpine zur heimischen Luftverschmutzung ist beträchtlich. Mit der genannten Maßnahme soll sich der gesamte CO₂-Ausstoß Österreichs um rund fünf Prozent verringern. Gelingen soll das mit "grünem" Stahl ("greentec steel"), der in Elektroöfen statt in Hochöfen erzeugt wird. Die Umstellung lässt sich der Konzern 1,5 Milliarden Euro kosten. Bis 2050 will die Voest weiter in Richtung CO₂-Neutralität dekarbonisieren.