Pandemie, Inflation, Zinswende - Europas Banken sind seit Jahren im Dauerstress. Doch reichen Kapitalpuffer auch für Krisenszenarien, die noch gar nicht eingetreten sind? In den vergangenen Monaten mussten Geldhäuser in der Europäischen Union wieder viel rechnen. Die Ergebnisse des jüngsten Stresstests wollen die europäische Bankenaufsicht EBA und die Europäische Zentralbank (EZB) am heutigen Freitag um 18 Uhr veröffentlichen.
Worum geht es bei einem Stresstest?
Mit solchen Tests wollen Bankenaufseher herausfinden, wie gut Geldhäuser für wirtschaftliche und finanzielle Schocks gewappnet sind. Risiken in der Bilanz und Schwachstellen im Geschäftsmodell sollen möglichst früh offengelegt werden, damit rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Aufseher könnten als Folge solcher Tests zum Beispiel von einzelnen Geldhäusern einfordern, mehr Kapital vorzuhalten, um mögliche künftige Krisen besser abpuffern zu können.
Seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 prüfen Aufseher rund um den Globus mit Stresstests regelmäßig, wie anfällig Banken im Krisenfall wären. Geldhäuser müssen so beweisen, dass sie auch unter widrigen Umständen - etwa bei einem Wirtschaftseinbruch, einem Absturz der Immobilienpreise oder steigenden Kreditausfällen - ausreichend Kapital hätten, um ihr Geschäft fortzuführen.
Was hieße das auf Privathaushalte übertragen?
Auf Verbraucher übertragen könnte ein solcher Test so aussehen: Reichen Einnahmen, Ersparnisse oder Versicherungsschutz auch dann, wenn Auto und Waschmaschine gleichzeitig kaputtgehen, der Arbeitgeber pleitegeht und man erst im nächsten Jahr einen neuen Job findet? Oder auf Hausbesitzer gemünzt: Was wäre, wenn gleichzeitig der Blitz einschlägt, der Strom ausfällt, es einen Wasserrohrbruch gibt und Einbrecher in die eigenen vier Wände einsteigen?
Wie viele Geldhäuser hat die Aufseher untersucht?
Die European Banking Authority (EBA) hatte 70 Institute aufgefordert, durchzurechnen, ob ihre Kapitalpuffer auch im Falle einer schweren Krise ausreichend wären. Berücksichtigt wurden Geldhäuser aus 15 EU-Staaten plus die größte norwegische Bank DNB. Diese Geldhäuser stehen nach Angaben der EBA für etwa 75 Prozent des Bankenmarktes in der EU und Norwegen. 57 der 70 Institute im EBA-Stresstest sind Banken aus dem Euroraum und fallen damit unter die direkte Aufsicht der EZB. Parallel dazu unterzog die EZB weitere 42 mittelgroße Geldhäuser, die sie beaufsichtigt, einem Stresstest.
Bei dem EBA-Test waren aus Österreich nur die Erste Group und die Raiffeisen Bank International (RBI) dabei. Bei dem Test der EZB nahmen neben Erste Group und RBI noch die Addiko Bank, die BAWAG, die Volksbank Wien und die Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich (RLB OL) teil.
Was genau wurde geprüft?
Angenommen wurde eine Verschärfung der geopolitischen Spannungen, begleitet von einem Wiederaufleben der Coronapandemie. In einem Krisenszenario kommen ein Einbruch der Wirtschaftsleistung, steigende Arbeitslosigkeit und hohe Inflation zusammen. In dem Krisenszenario wurde ein Einbruch der Wirtschaftsleistung (BIP) der EU-Staaten in den Jahren 2023 bis 2025 um insgesamt 6 Prozent angenommen. Damit sei der angenommene Rückgang stärker als in jedem früheren Stresstest, hatte die EBA erklärt. Die Arbeitslosenquote stieg in der simulierten Krise um 6,1 Prozentpunkte. Die Inflationsrate lag um bis zu 3 Prozentpunkte höher, als es ohne Krise der Fall gewesen wäre.
Auf welchen Wert schauen die Aufseher besonders?
Entscheidend ist, dass Banken genug hartes Kernkapital haben. Das ist Kapital, das im Fall von Verlusten uneingeschränkt zur Verfügung steht. Eine Mindestquote haben die Aufseher jedoch auch dieses Mal nicht vorgegeben. Heißt: Durchfallen konnten Banken auch bei den diesjährigen Stresstests im Grunde nicht. Die Ergebnisse fließen in den Srep-Prozess ("Supervisory Review and Evaluation Process") ein, in dem die Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen und die Angemessenheit des Risikomanagements bewertet werden. Einzelnen Banken können die Aufseher auf dieser Basis auftragen, Kapitalpuffer zu stärken.
Wie waren die Ergebnisse beim letzten Stresstest?
Insgesamt erwiesen sich die Kapitalpuffer der meisten Geldhäuser im Test 2021 unter widrigsten Bedingungen als ausreichend tragfähig. Im damaligen Krisenszenario büßte der Bankensektor in EU nach EBA-Berechnungen in Summe 265 Milliarden Euro an Kapital ein. Die harte Kernkapitalquote als Puffer für Rückschläge sank von 15,0 Prozent Ende 2020 auf 10,2 Prozent Ende 2023.
Im EBA-Test 2021 hatten sich die heimischen Banken laut Nationalbank und laut Finanzmarktaufsicht (FMA) "widerstandsfähig" gezeigt und waren "im europäischen Mittelfeld" gelandet. Die sieben deutschen Banken landeten in Summe unter dem Schnitt und im Ländervergleich mit einer Kernkapitalquote von durchschnittlich 8,78 Prozent nur auf Platz 13 der 15 untersuchten Länder knapp vor Italien (8,60 Prozent) und Irland (8,44 Prozent).
Den besten Wert erzielte mit 17,08 Prozent Norwegen, wobei aus dem Nicht-EU-Staat auch 2021 nur eine Bank von der EBA getestet wurde. Unter den EU-Staaten führten die schwedischen Banken mit einer durchschnittlichen Kernkapitalquote von 16,12 Prozent die Liste an. Bei der italienischen Monte dei Paschi wurde im Stressszenario des Tests 2021 das komplette Eigenkapital aufgezehrt.
Was bringen solche Tests?
Unumstritten sind sie nicht: Denn welche Risiken in den hypothetischen Szenarien wie stark gewichtet werden, liegt letztlich in der Hand der Aufseher. Statt solcher allgemeiner Tests hält mancher Banker es für sinnvoller, thematisch eingegrenzte Rechenübungen zu machen: Etwa zum Thema Klimarisiken in den Bilanzen. Einen ersten großen Klimastresstest für Banken hatte die EZB 2022 durchgeführt.