In der Insolvenz von Gerry Weber zeigt sich die Krise im Modehandel geradezu beispielhaft: Die großzügige Verkaufsfläche war schon während Corona überdimensioniert, als die Kundinnen vor allem online kauften. Und ist es jetzt wieder, wo durch die hohe Inflation der Kauf von Mode hintangestellt wird. Wer schlechte (Verbraucher-)Stimmung hat, kauft sich kein neues Outfit.

Genau 50 Jahre nach ihrer Gründung durch Gerry (Gerhard) Weber in Halle in Nordrhein-Westfalen ist die deutsche Bekleidungskette zahlungsunfähig. 122 der 171 eigenen Stores werden bis Ende September aufgegeben – darunter alle 20 Geschäfte in Österreich, wo von der Insolvenz 25 Gläubiger mit Verbindlichkeiten von 2,6 Millionen Euro betroffen sind und mehr als hundert Beschäftigte. Ab sofort wird abverkauft. "Es gibt Preisnachlässe von 50 Prozent", teilt Insolvenzverwalterin Ulla Reisch mit. Gutscheine und Bonuspunkte können nicht mehr eingelöst werden.

"Todesstrudel"

Statt Blusen, Kleidern und T-Shirts sind Insolvenzen "in Mode". Hallhuber, Tally Weijl Austria, Gerry Weber sowie Peek & Cloppenburg in Düsseldorf sind in den vergangenen Monaten zu Sanierungsfällen geworden, ebenso die Schuhhändler Delka, Salamander und Reno. Daniel Terberger, Inhaber des deutschen Modedienstleisters Katag, der stationäre Händler beliefert, spricht im Handelsblatt gar von einem "Todesstrudel", in dem sich einige Modeunternehmen befänden. Hersteller und Händler schwächen sich gegenseitig, so Terberger.

Handelsverbands-Obmann Rainer Will befürchtet, dass sich die "Pleitewelle im Handel fortsetzt"
Handelsverbands-Obmann Rainer Will befürchtet, dass sich die "Pleitewelle im Handel fortsetzt" © APA/HELMUT FOHRINGER

Die Teuerung trifft nicht nur Kunden, sondern auch die Händler selbst. Nicht nur Mieten, Personal-, Beschaffungs- und Logistikkosten sind gestiegen. "Allein durch die gestiegenen Energiepreise ist der Handel im Vorjahr auf Mehrkosten in Höhe von 486 Millionen Euro sitzen geblieben", sagt Rainer Will, der Obmann des Handelsverbandes, der befürchtet, dass sich "diese Pleitewelle fortsetzt". Auch die Ladenbaukosten, die sich laut Studien um 22 Prozent auf bis zu 650 Euro pro Quadratmeter verteuerten. Die Händler behelfen sich mit "Light"-Umbauten, was sich wiederum ungünstig auf das Einkaufserlebnis auswirkt, das aber beim Shoppen immanent wichtig ist. "Modeeinkauf ist Entertainment", sagt McKinsey-Partner Achim Berg, der die Branche auf einen "globalen Abschwung" zukommen sieht.

Auch, was die Sortimentsbildung bzw. Sortimentspolitik angeht, wird sich neu aufstellen müssen, wer in Zukunft attraktiv sein will. Nur Kleidung oder nur Schuhe: laaangweilig. Online-Händler wie Zalando zeigen vor, dass spannende Randsortimente aus Lifestyle, Sport oder Beauty zusätzliches Prestige und zusätzliche Umsätze bringen.

"Es trifft die in der Mitte"

Im Jahr 2022 haben private Haushalte in Österreich im Einzelhandel (also offline) fünf Milliarden Euro für Bekleidung ausgegeben, sagt Wolfgang Richter, Geschäftsführer von RegioData. 5,3 Milliarden waren es vor Corona gewesen. "Der Umsatz verlagert sich ins Internet", sagt Richter, der eine kontinuierliche Schrumpfung der Verkaufsflächen erwartet. "Um etwa zwei Prozent pro Jahr." Betroffen werden Innenstädte ebenso wie Shoppingmalls sein.

RegioData-Geschäftsführer Wolfgang Richter: "Es trifft die Mitte"
RegioData-Geschäftsführer Wolfgang Richter: "Es trifft die Mitte" © RegioData

Treffen wird es laut Richter "die in der Mitte", von denen es dann am Ende heißt, dass sie uns eh nicht abgehen. Nicht die Exklusivmarken, nicht die Billigketten. Auch der Wertewandel in der Gesellschaft werde Umsätze umlenken, Geschmäcker verändern. Womöglich war daher auch Tally Weijl nicht mehr zeitgemäß. Die Kette hatte sich auf ganz junge Mädchen bzw. ganz kurze Röcke spezialisiert. Doch der Zeitgeschmack ist androgyn, schlabbrig. Nachhaltigkeit wird wichtiger. Auch die großen Player wie H&M, C&A oder P&C reagieren auf diese Veränderungen, auch sie reduzieren Flächen.