Die EZB wird laut einer Reuters-Umfrage unter Volkswirten im Kampf gegen die Inflation die Zinsen in der kommenden Woche voraussichtlich das neunte Mal in Folge anheben. Den Ergebnissen zufolge rechneten alle 75 Ökonomen damit, die eine entsprechende Frage beantworteten, dass die Währungshüter am 27. Juli den Einlagensatz um einen viertel Prozentpunkt auf 3,75 Prozent hochsetzen werden, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Erhebung hervorgeht.
Dieser Satz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, gilt derzeit als der maßgebliche Zinssatz im Euroraum. Reuters befragte die Volkswirte zwischen dem 14. und 19. Juli zu ihren Erwartungen.
Unsicherheit für 14. September
Für die darauffolgende Zinssitzung am 14. September fielen die Antworten dagegen weniger eindeutig aus. 35 von 75 Ökonomen gingen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen nicht mehr weiter anheben wird. 40 Ökonomen rechneten mit einem weiteren Schritt nach oben um erneut einen viertel Prozentpunkt auf dann 4,00 Prozent beim Einlagensatz. In der Juni-Umfrage hatten nur vier Ökonomen mit einer erneuten Anhebung im September gerechnet. Der Einlagensatz würde damit das bisher höchste Niveau erreichen seit der Einführung des Euro 1999. Mit ersten Zinssenkungen wird laut der Umfrage frühestens im Auftaktquartal 2024 gerechnet.
"Noch eine Wegstrecke zu gehen"
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuletzt angemerkt, dass die Notenbank auf ihrem Straffungskurs noch eine Wegstrecke zu gehen habe. Die Inflation im Euroraum sei immer noch zu hoch und werde dies voraussichtlich zu lange bleiben. Zwar war die Teuerungsrate im Juni auf 5,5 Prozent gesunken nach 6,1 Prozent im Mai. Damit liegt sie aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie die Zielmarke der EZB von 2,0 Prozent, die sie als optimales Niveau für den Währungsraum anstrebt. Zudem ist die Kernrate, in der unter anderem die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, im Juni auf 5,5 Prozent gestiegen von 5,3 Prozent im Mai. Die Kernrate gilt als wichtige Messgröße für die zugrunde liegenden Inflationstrends.
Wenig Optimismus bei Kerninflation
In der Umfrage gingen lediglich zwölf von 32 Volkswirten davon aus, dass die Kerninflation zum Jahresende deutlich niedriger ausfallen wird. 20 Ökonomen rechneten dagegen nur mit einer geringfügig niedrigeren Rate. 24 von 26 Volkswirten waren der Ansicht, Lohnsteigerungen seien der hartnäckigste Bestandteil der Kerninflation in den kommenden Monaten. Nur ein Volkswirt nannte bei der Frage die Unternehmensgewinne. Ebenfalls nur ein Volkswirt verwies auf die Inflation im Dienstleistungssektor.