1. Extreme Unwetter richten in Österreich gerade wieder enorme Schäden an. Wie ist die Haftung geregelt, wenn dabei durch das eigene Hab und Gut ein Schaden am Eigentum anderer entsteht – etwa durch herabfallende Ziegel oder umstürzende Bäume?
Antwort: Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) regelt, dass der Besitzer des Gebäudes oder "Werkes" dann für Schäden haftet, wenn das Gebäude bzw. "Werk" mangelhaft ist, wie der Rechtsanwalt Philipp Wieser von der Kanzlei "Held Berdnik Astner & Partner" erklärt. Der Begriff "Werk" sei dabei relativ weit zu verstehen. "Umfasst sind alle künstlichen Aufbauten, ein Schutzdach, Wegschranken, Schächte, Absperrungen, Stützmauern, Zäune oder auch Grabsteine", sagt der Jurist. Die Rechtsprechung wende diese Norm analog auch auf Bäume an.
2. Die Haftung betrifft die Eigentümerin oder den Eigentümer des sogenannten Werkes?
Antwort: Nicht unbedingt. Laut Gesetz geht es um den "Besitzer". "Das ist die Person, die Vorteile aus der Sache zieht und über ihren Gebrauch verfügen und durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr rechtzeitig abwenden kann. Mitunter sind das auch Fruchtnießer einer Liegenschaft, gegebenenfalls Pächter und auch die Eigentümergemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz", sagt der Anwalt.
3. Voraussetzung für die Haftung ist aber, dass bereits ein Mangel am Gebäude oder etwa Baum bestanden hat, als der Schaden auf dem Nachbargrundstück verursacht wurde?
Antwort: Ja. Um beim Beispiel herabfallender Gebäudeteile
zu bleiben: Irrelevant ist, ob das Haus schon mangelhaft errichtet wurde oder aufgrund mangelhafter Instandhaltung schadhaft geworden ist. Wieser: "Das Gebäude muss prinzipiell auch den vorhersehbaren Witterungseinflüssen standhalten. Abgestellt wird grundsätzlich auf die im Schadenszeitpunkt geltenden Regeln der Technik, sodass laufende, zumutbare Adaptierungen und Erneuerungen durchaus geboten sind."
4. Muss der Verursacher des Schadens beweisen, dass sein Haus in einem tadellosen Zustand war?
Antwort: Nein. "Wie auch sonst im österreichischen Schadenersatzrecht muss der Geschädigte die mangelhafte Beschaffenheit als Schadensursache beweisen", antwortet Wieser. Das kann mitunter schwierig werden. "Wenn der Beweis nicht gelingt, trifft den Besitzer auch keine Haftung, dann zahlt natürlich auch seine allfällige Gebäudeversicherung nicht." Wenn der Geschädigte nicht selbst eine entsprechende Versicherung hat, bleibt er auf dem also Schaden sitzen. Bei einem Autoschaden könnte nur eine Kaskoversicherung helfen. Der Besitzer des Hauses, durch das der Schaden entstanden ist, könne freilich auch den Gegenbeweis erbringen, dass sein Gebäude richtig gewartet war.
5. Worauf genau kommt es bei einem Schaden durch einen umstürzenden Baum oder einen herabfallenden Ast an?
Antwort: Der Besitzer des Baumes haftet auch hier nur dann, wenn der Baum vorher schon schadhaft war – und wenn diese Schadhaftigkeit aus Sicht eines Laien auch erkennbar gewesen wäre, etwa durch äußere Verletzungen. Dann hätte der Baum beseitigt werden müssen. Wieser: "War der Baum gesund, trifft den Besitzer keine Haftung." Gehört der umgestürzte Baum zu einem Wald, gelten wieder besondere Regeln.
6. Das alles gilt im sogenannten Normalfall. Wenn höhere Gewalt im Spiel ist, ändert sich das?
Antwort: "Wenn das Unwetter so extrem ist, dass man im rechtlichen Sinne von höherer Gewalt sprechen kann, ist der Besitzer des Gebäudes bzw. Werkes oder Baumes ebenfalls von seiner Haftung befreit", sagt der Rechtsanwalt. Höhere Gewalt liege in der Regel dann vor, wenn ein Ereignis von außen einwirkt, elementar, außergewöhnlich und unerwartbar sowie unabwendbar ist. "Die Voraussetzungen sind in jedem Einzelfall streng zu prüfen", betont Wieser. Die Folgen eines solchen "Zufalls", wie es das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch nennt, seien vom Geschädigten selbst zu tragen. "In der Regel hilft dem Geschädigten dann auch nur seine eigene Sturmversicherung bei Gebäuden bzw. Kaskoversicherung bei Autos. Der Besitzer des Baumes und dessen Versicherung sind haftungsbefreit."