Schwache Exporte, kriselnder Immobilienmarkt, rekordhohe Jugendarbeitslosigkeit: Die Erholung der chinesischen Wirtschaft von der Coronakrise hat im zweiten Quartal angesichts zahlreicher Probleme erheblich an Schwung verloren. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von April bis Juni nur noch um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistikamt am Montag in Peking mitteilte. Damit wurde das Ergebnis des ersten Vierteljahres von 2,2 Prozent klar verfehlt.
"Die Daten signalisieren, dass Chinas Nach-Corona-Boom eindeutig vorbei ist", sagte die Ökonomin Carol Kong von der Commonwealth Bank of Australia. "Wir sehen einen schwachen und stockenden Aufschwung." Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum wuchs die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zwar mit 6,3 Prozent so kräftig wie seit zwei Jahren nicht mehr. Allerdings hatten im Jahr zuvor die Lockdowns in der Wirtschaftsmetropole Schanghai und anderen Großstädten das Ergebnis stark gedämpft. Zudem wurde die Ökonomen-Prognose von 7,3 Prozent klar verfehlt.
Wachstumsziel unerreichbar?
Analysten bezweifeln inzwischen, ob das von der Regierung ausgegebene Wachstumsziel von 5 Prozent für das Gesamtjahr 2023 geschafft werden kann. "Es besteht nun tatsächlich die Gefahr, dass das Wachstumsziel möglicherweise nicht erreicht wird", sagte Alvin Tan von RBC Capital Markets in Singapur.
Viele Experten spekulieren darauf, dass Regierung und Zentralbank versuchen werden, der Konjunktur mit neuen Hilfen auf die Sprünge zu helfen. "Wir erwarten in den kommenden Monaten eine Lockerung der Geldpolitik und gezielte fiskalische Unterstützung für Schlüsselbranchen, darunter Immobilien und Baugewerbe", erwarten die Ökonomen von Goldman Sachs. "Aber diese zusätzliche Unterstützung wird kein Allheilmittel sein. 2023 sieht für China zunehmend wie ein Jahr zum Vergessen aus."
Einbruch bei Ausfuhren
Der Exportweltmeister leidet unter der schwächelnden Nachfrage im Ausland, befinden sich doch wichtigste Absatzmärkte wie Deutschland in einer Rezession. Im Juni brachen die Ausfuhren deshalb so stark ein wie seit Ausbruch der Coronapandemie vor über drei Jahren nicht mehr. Ein weiteres Problem ist der Immobilienmarkt, der etwa ein Viertel der Wirtschaft ausmacht.
Reuters-Berechnungen zufolge brachen die Immobilieninvestitionen im Juni um 20,6 Prozent zum Vorjahresmonat ein, nach minus 21,5 Prozent im Mai.
Konsumschwäche
Auch der Konsum schwächelt: Der Einzelhandelsumsatz wuchs im Juni nur noch um 3,1 Prozent, nachdem er im Mai noch um 12,7 Prozent zulegte. Ein Grund für die Konsumschwäche könnte die steigende Arbeitslosigkeit sein: Die Arbeitslosenquote junger Chinesen erreichte im Juni mit 21,3 Prozent einen Rekordwert, da Millionen Schul- und Uni-Absolventen nur noch ein begrenztes Angebot an Jobs zur Verfügung steht.