Die neue OMV-Strategie, sich von einem Öl- und Gaskonzern in einen Petrochemiekonzern umzubauen, könnte vergleichsweise rasch und in einer Mega-Dimension erfolgen. In einer Ad-hoc-Meldung am Freitagnachmittag schreibt die OMV, jetzt in vertiefende Gespräche mit ADNOC (Abu Dhabi National Oil Co) über Fusionspläne eintreten zu wollen. Konkret geht es um einen Zusammenschluss von der OMV-Chemietochter Borealis und Bouroge, einem riesigen Petrochemiekonzern in Abu Dhabi, das Borealis und den Abu Dhabis gemeinsam gehört.
"Die Kooperation würde eine mögliche Zusammenlegung des Borealis und Borouge Geschäfts als gleichberechtigte Partner unter einer gemeinsam kontrollierten, börsennotierten Plattform für potenzielle Wachstumsakquisitionen, mit dem Ziel umfassen, ein globales Polyolefin Unternehmen mit einer wesentlichen Präsenz in Schlüsselmärkten zu schaffen", heißt es in der OMV-Meldung wörtlich. Ein Zusammenschluss würde auf einer mehr als 25-jährigen Partnerschaft aufbauen und stelle einen möglichen Weg zur Umsetzung der Strategie bis 2030 dar, sagt OMV-Vorstandschef Alfred Stern.
Österreichische Interessen wahren
Dem Zusammenspannen beider Unternehmen müssen umfangreiche Bewertungen vorausgehen. Durch eine Fusion entstünde jedenfalls ein Mega-Konzern, der zu den größten Petrochemie-Playern der Welt gehören würde. Dass die OMV diese Pläne erst jetzt bestätigt, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass Stern erst vor wenigen Monaten die Konflikte in der Chefetage ausgeräumt hatte und jetzt die notwendige Unterstützung hat. Von der Verstaatlichten-Holding ÖBAG hat er für seine Strategie klar Rückendeckung, wie ÖBAG-Chefin Edith Hlawati kürzlich in einem Gespräch mit der Kleinen Zeitung erklärte. Darin betonte sie auch, dass man dafür Sorge tragen werde, bei einem solchen Borealis-ADNOC-Deal österreichische Interessen zu wahren.
"Starke und überzeugende industrielle Relevanz"
Bei den Verhandlungen und Bewertungen wird es unter anderem darum gehen, wie viele Anteile die OMV an dem Konzern bekommen wird. Die finanziell logische Marschroute wäre, dass die OMV ihren 75 Prozent-Anteil an der Borealis aufgibt (die restlichen 25 Prozent gehören ADNOC), dafür ein nominell kleinerer Anteil an einem gemeinsamen Unternehmen aber deutlich mehr wert sein dürfte. Borealis hält umgekehrt schon jetzt 63 Prozent der Anteile an Borouge, 54 Prozent sind im Besitz von ADNOC. Die Agentur Bloomberg hatte Anfang Juli berichtet, dass der Marktwert von Borealis und Bourouge als fusionierter Konzern bei 30 Milliarden Dollar, also fast 28 Milliarden Euro liege. Gut zwei Drittel davon entfielen auf Bourouge, ein Drittel auf die Borealis.
"Eine mögliche Transaktion hätte eine starke und überzeugende industrielle Relevanz", wird Stern in der Aussendung zitiert. „Der Zusammenschluss der stark komplementären Unternehmen würde die technologische Expertise und nachhaltige Spezial-Polyolefin-Lösungen von Borealis und Borouges vorteilhafte Kostenposition und Zugang zu großen und attraktiven Märkten bündeln und ein Unternehmen mit einem erheblichen Potenzial für organisches und anorganisches Wachstum schaffen.“
Bliebt Borealis-Headquarter in Wien?
Alfred Stern war viele Jahre Top-Manager bei Borealis, seine Expertise und sein Erfolg als Chef hatten ihm den Sprung in den OMV-Vorstand ermöglicht, nachdem der damalige OMV-Chef Rainer Seele die Mehrheitsübernahme der Borealis Anfang 2020 festgezurrt hatte. Das galt als entscheidender Schritt der OMV, das fossile Geschäftsmodell zu ändern. Die dadurch ausgelösten massiven internen Querelen in Kombination mit den damaligen Turbulenzen in der Verstaatlichten-Holding Öbag überlebte Seele als Vorstandschef allerdings nicht.
Seele könnte im Hintergrund der Gespräche mit ADNOC (Abu Dhabi National Oil Co) sogar durchaus eine gewisse Rolle spielen, eine Bestätigung dafür gibt es allerdings nicht. Er soll für die Abu Dhabis in beratender Funktion unterwegs sein.
Alfred Stern dürfte massiv daran gelegen sein, das Headquarter von Borealis in Österreich zu halten. In Linz betreibt Borealis in großem Stil Forschung. Borealis produziert Chemikalien und die Grundstoffe für Plastik, mit einer immer stärkeren Ausrichtung auf Recycling. Borealis-Chef ist Thomas Gangl, der zuvor im OMV-Vorstand war. Borealis ist weltweit tätig, beschäftigt rund 6000 Mitarbeiter und machte zuletzt 2,1 Milliarden Euro Nettogewinn. Sterns Strategie sieht über viele Jahren einen schrittweisen Umbau des gesamten Öl- und Gas-Konzerns in Richtung Kreislaufwirtschaft vor.
Claudia Haase