Es müsse nun darum gehen, die gegenwärtige Lage "ungeschönt und in ihrer ganzen Dramatik" darzustellen, sagt Hermann Talowski. Der Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der steirischen Wirtschaftskammer beruft sich auf eine aktuelle Erhebung zur Baukonjunktur. Dafür hat das WK-Institut für Wirtschaft- und Standortentwicklung (iws) mehr als 370 Betriebe aus dem Bau- und Baunebengewerbe befragt. Fazit: "Die Stimmung ist sehr negativ." Werde nicht gegengesteuert, drohe dem steirischen Wirtschaftsstandort "ein Tsunami", warnt Talowski.
Tatsächlich zeigen sämtliche Pfeile in der Erhebung steil nach unten. Die Salden (Gegenrechnung positiver und negativer Einschätzungen) sind tief im negativen Bereich angekommen, insbesondere wenn es um die Erwartungen für die nächsten Monate geht: Sowohl die Einschätzungen zum Wirtschaftsklima, zu den Umsätzen, zur Auftragslage, zu den Investitionen als auch zur Beschäftigungsentwicklung sind – im Bau- und im Baunebengewerbe – tiefrot. "Beim erwarteten Wirtschaftsklima sind es etwa minus 65,7 Prozentpunkte", heißt es in der iws-Auswertung. Bei der Beschäftigung registriere man bereits seit einigen Monaten einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit am Bau, dieser werde sich, das legt die Umfrage nahe, verschärfen. So geben mehr als 50 Prozent der befragten Branchenvertreter an, den Personalstand im Herbst reduzieren zu müssen. Im Vergleich zur ebenfalls nicht rosigen Gesamtkonjunkturumfrage für die Steiermark, zeige sich, dass die Bauwirtschaft noch einmal deutlich stärker vom Konjunktureinbruch betroffen sei. Ausdrücklich begrüßt werde das unlängst vorgestellte Wohnbau-Paket der steirischen Landesregierung. Das sei ein "Hoffnungsschimmer, könnte aber für das laufende Jahr bereits zu spät sein", so Talowski.
Strenge Vergaberegeln "gänzlich abschaffen"
Die Flaute im Neubau, vor allem im Wohnungs- und Eigenheimbau, spiegelt sich auch bei den Banken wider. Martin Schaller, RLB-Generaldirektor und Obmann der Banken-Sparte in der steirischen Wirtschaftskammer, sieht dringenden Handlungsbedarf. Denn neben den zuletzt rasant gestiegenen Leitzinsen, die auch die Finanzierungen verteuern, bremse vor allem auch die sogenannte "KIM-Verordnung", die seit vergangenem August strengere Vergaberegeln für Wohnkredite vorsieht. "Die Nachfrage nach Wohnbaufinanzierungen ist um bis zu 70 Prozent eingebrochen", sagt Schaller. Bei den verschärften Kredit-Vergaberegeln, die damals auch aus Sorge vor einer Überhitzung des Immobilienmarkts eingeführt wurden, seien nicht nur Änderungen gefragt, "diese Verordnung muss gänzlich abgeschafft werden", so Schallers Appell. Denn die Ausgangslage sei völlig überholt. Schaller spricht davon, dass die Nachfrage nach privaten Wohn- und Immobilienfinanzierungen zuletzt "praktisch zum Erliegen gekommen" sei. Es gehe einerseits darum, "vor allem jungen Menschen Wohneigentum zu ermöglichen". Andererseits gelte es, "die starken Rückgänge bei der Kredit-Vergabe sowie die wirtschaftlichen Einbrüche in den betroffenen Branchen abzufedern".
Die gestiegenen Finanzierungskosten sind laut Umfrage bereits auf dem vierten Platz bei den von den Unternehmen genannten größten Herausforderungen. An der Spitze rangiert die Inflation, gefolgt vom Fachkräftemangel sowie den Arbeitskosten. Keine Flaute ist indes bei der Entwicklung der Baupreise auszumachen, die in einigen Bereichen weiterhin stark zulegen. Diese Preissteigerungen führen mehr als neun von zehn Betriebe auf die steigende Löhne und Gehälter zurück, es folgen Vorleistungen, Energiekosten sowie Kapitalkosten.
"Massive Einbußen bei der Wertschöpfung"
Komme es zu den befürchteten Personaleinschnitten, würde das mit "massiven Einbußen bei der Wertschöpfung einhergehen", so die Warnung. Das iws hat errechnet, dass fünf Prozent mehr Arbeitslose in der Bauwirtschaft einen bundesweiten Entfall bei der Wertschöpfung von 348 Millionen Euro (Baugewerbe) sowie weiteren 337 Millionen (Baunebengewerbe) bedeuten würden. Bei zehn Prozent höherer Arbeitslosigkeit wären es 697 (Bau) und 637 Millionen Euro (Baunebengewerbe), bei 15 Prozent mehr Arbeitslosen bereits 1,04 bzw. 1,01 Milliarden Euro.
"Raschere Auszahlung gefordert"
Gefordert werde nun, neben der Abschaffung der KIM-Verordnung, auch eine Zurückhaltung bei KV-Abschlüssen. "Es geht aber nicht darum, dass die Beschäftigten weniger erhalten sollen, sondern darum, dass ihnen bei den Lohnerhöhungen mehr Netto vom Brutto bleibt." Talowski fordert eine Senkung der Lohnnebenkosten im Bereich des 13. und 14. Monatsgehalts durch die Reduktion der Beitragssätze für Kranken- und Arbeitslosenversicherung auf Sonderzahlungen. Eine weitere Forderung: Der Energiekostenzuschuss 2 komme viel zu spät bei den Betrieben an. "Die Sparten fordern eine quartalsweise Antragstellung und somit auch eine wesentlich raschere Auszahlung." Das sollte auch für die Pauschalzahlungen für den Energiekostenzuschuss gelten. "Jetzt gilt es, einen weiteren Einbruch dieser Konjunktur zu verhindern, und zwar indem man die wahren Ursachen der Probleme bekämpft und nicht nur die Symptome", so Talowski.