Hitzefrei von der Arbeit bei Temperaturen jenseits der 30 Grad gibt es lediglich am Bau – und das nur in Ausnahmefällen. "Es kommt auf die Konjunktur drauf an – gibt es volle Auftragsbücher verbunden mit engen Bauzeitplänen, werden die Arbeiter eher gezwungen weiterzuarbeiten, gibt es keine vollen Auftragsbücher, dann wird die Regelung ab 32,5 Grad freizugeben mehr in Anspruch genommen", so der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, am Mittwoch zur APA.
Werden im Freien 32,5 Grad Lufttemperatur im Schatten über einen Zeitraum von drei Stunden überschritten, gibt es in Österreich eine gesetzliche Regelung, dass der Arbeitgeber im Baubereich hitzefrei geben kann. Es gibt aber keinen Rechtsanspruch darauf.
40 Prozent weniger Lohn
Wendet eine Baufirma die Hitzefrei-Regelung an, gibt es eine Entgeltfortzahlung von 60 Prozent und eine Refundierung an den Arbeitgeber durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). "Das geht nicht zulasten des Arbeitgebers in der Finanzierung, dieser zahlt jetzt schon in einen 'Schlechtwetterfonds' ein. Das kostet auch den Staat nichts", so der Gewerkschafter. Der Arbeiter verliere bei der Fortzahlung 40 Prozent, aber in einer Zeit, in der er keine Leistung erbringe. "Das sind ja wenige Stunden", betonte Muchitsch.
Dennoch werde von der Möglichkeit nicht oft Gebrauch gemacht. "Leider nutzt das im Schnitt nur rund ein Drittel der Unternehmen", bedauert der Nationalratsabgeordnete. "Es sind einfach viel zu wenige." Es sei "komplett schwankend, je nach Konjunktur".
Siesta ist "unrealistisch"
Der Idee, eine Siesta nach spanischem Vorbild einzuführen, die beispielsweise der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien laut "Oberösterreichische Nachrichten" (Mittwochsausgabe) vorschlug, kann Muchitsch nichts abgewinnen. Es sei "unrealistisch" und "unlogisch" nach den paar hitzefreien Stunden dann am Abend auf die Baustelle zurückzukehren. "Also so was von unsinnig, das ist unglaublich", meinte er. "Auf der Baustelle starten wir um 6.00 Uhr in der Früh und wir arbeiten jeden Tag schon sechs bis acht Stunden, ehe es die hohen Temperaturen erreicht", begründete der Gewerkschafter seinen Vorbehalt.
"Wir sind die Einzigen in Europa, wo der Arbeitnehmer am Bau eine Entgeltfortzahlung bekommt, anderswo gibt es keine Entlohnung bei Schlechtwetter, ob Hitze oder Regen", strich der SPÖ-Sozialsprecher hervor.
Forderung nach Senkung der Hitzegrenze
An einigen Schrauben will er aber noch gedreht wissen. Die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) fordert eine weitere Senkung der Hitzegrenze von 32,5 auf 30 Grad. Ursprünglich lag die Grenze bei 35 Grad. Weiters sollte die tägliche Höchstarbeitszeit an solchen Tagen gesetzlich begrenzt werden. Körperliche Arbeiten jenseits der 30 Grad sind dem Kardiologen Clemens Steinwender vom Linzer Kepler-Uniklinikum (KUK) zufolge "auch für Gesunde belastend", wie er in den "Oberösterreichische Nachrichten" vom Mittwoch festhielt.
Als weitere Neuerung schlägt Muchitsch vor, dass die Hitze bei Pönalen wegen Bauzeitverlängerung ausgenommen wird. "Es geht nur um wenige Stunden an diesen Tagen."
Sieben Stunden Höchstarbeitszeit?
Außerdem sollte seiner Meinung nach generell eine tägliche Höchstarbeitszeit von sieben Stunden im Arbeitnehmerschutzgesetz verankert werden, aktuell sind es neun Stunden. "Wir haben derzeit die Situation, wo die Verantwortlichen um 17.00 Uhr noch Beton anliefern lassen, der sofort verarbeitet wird – da geht es um Logistik und Organisation von der Arbeit", plädierte Muchitsch für mehr Umsichtigkeit.
Der Sommer sei Bau-Hauptsaison mit engen Bauterminen und vielen Überstunden unter schwierigsten Arbeitsbedingungen, so die Gewerkschaft Bau-Holz. Arbeitgeber müssten ihrer Verpflichtung nachkommen, ihre Beschäftigten zu schützen – mit ausreichenden Trinkpausen, Sonnenschutz, der Vorverlegung der Arbeitszeit und vor allem aber der Nutzung der Hitzefrei-Regelung. "Arbeit darf nicht krank machen", so Muchitsch.
Regelungen für andere Branchen
Gesetzliche Regelungen zu einer Hitzeobergrenze gibt es derzeit nur bei Bauarbeitern. Für andere Beschäftigte gibt es die Arbeitsstätten-Verordnung, die das Klima in Innenräumen regelt. Sie schreibt bei Büroarbeiten eine Raumtemperatur von mindestens 19 und höchstens 25 Grad vor. Darauf hat der Arbeitgeber kraft seiner Fürsorgepflicht zu achten. Das Einhalten der Verordnung kann vom Arbeitsinspektorat kontrolliert werden. Wer bei extremer Hitze eigenmächtig geht oder gar nicht in die Arbeit geht, riskiert eine Entlassung.
Sowohl bei geistigen als auch bei körperlichen Tätigkeiten leide die Arbeitsqualität, und die Fehlerhäufigkeit und das Unfallrisiko nähmen zu, so das Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung. Dennoch kenne das österreichische Arbeitsrecht grundsätzlich kein Recht auf Hitzefrei. Im Einverständnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern könne aber Zeitausgleich genommen oder Urlaub verbraucht werden, erklären die Juristinnen und Juristen. "Schickt der Arbeitgeber die Arbeitnehmer hingegen ohne deren Einverständnis in 'Hitzeferien', ist dies als bezahlte Dienstfreistellung ohne Abbuchung von Zeit- und Urlaubsguthaben zu werten."