Die aktuellen Zahlen der Statistik Austria sind auf den ersten Blick eine Jubelmeldung: Im ersten Halbjahr 2023 wurden 126.690 Personenkraftwagen (Pkw) neu zugelassen. Das ist ein Plus von 16,7 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Insgesamt wurden 183.190 Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen (Kfz) registriert (+14,5 %).
Weiter im Statistik-Austria-O-Ton: Im bisherigen Jahr 2023 stiegen die Pkw-Neuzulassungen jeden Monat im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat. Die Zuwächse betrugen im Jänner: +20,7 %, im Februar +11,1 %, im März +27,4 %, im April +13,1 %, im Mai +20,6 % und im Juni +7,7 %. Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas sagt: "Die Pkw-Neuzulassungen haben wieder Fahrt aufgenommen."
Warum das ein Trugschluss ist
Für die Autobranche ist das ein Trugschluss. Die Zuwächse stammen aus dem Auftragsbestandsabbau. Die Aufträge, die zum Teil weit ins letzte Jahr zurückliegen, werden jetzt abgearbeitet – die Autos werden aufgrund der alten Lieferprobleme erst jetzt ausgeliefert.
Die Zahlen spiegeln also nicht das aktuelle Verkaufsverhalten wider, das sich in einer Art Schockstarre befindet. Inflation, Krieg, trübe Konjunkturaussichten – das alles hemmt die Kauflust.
Bei der Porsche Holding, dem größten Autohandelshaus weltweit – und natürlich in Österreich heißt es: "Der Auftragsbestandsabbau beschert den Pkw-Neuzulassungen zum Halbjahr zwar ein Plus, das Vorkrisenniveau bleibt aber weiterhin klar außer Reichweite."
Fette Jahre für Autohandel vorbei
Hans Peter Schützinger, Sprecher der Geschäftsführung der Porsche Holding Salzburg, sagt laut offizieller Aussendung: "Obwohl aus derzeitiger Sicht ein Markt von bis zu 250.000 Neuzulassungen im Jahr 2023 möglich ist, ist der heimische Automarkt noch immer weit von einer nachhaltigen Erholung und einer für den Autohandel gesunden Größe entfernt. Aktuell leben wir vom Abbau des bestehenden Auftragsbestandes, dieser schmilzt jedoch überproportional stark ab. Das Herbstgeschäft wird entscheidend sein, ob wir auftragsseitig die Basis für das kommende Jahr schaffen."
Schützinger schlägt einen unerwartet scharfen Ton an: "Die 'fetten Jahre' für den Autohandel mit hohen Erträgen bei gleichzeitig weniger Stückzahlen sind so gut wie passé. Das wieder deutlich höhere Rabattniveau und die steigenden Kundenaktionen sind ein klarer Indikator dafür, dass sich der Markt wieder von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt dreht."
Comeback der Rabatte
Das Comeback der Rabatte hat längst begonnen, die Automarken müssen mit Preisreduktionen und Aktionen der Kauf-Unlust begegnen. Vor allem der elektrische Privatmarkt steht derzeit. Schwankende Energiepreise, eine schlechte Infrastruktur für die breite Masse und die bereits genannten Faktoren (Inflation, Krieg etc.) halten viele Kunden von einer aktuellen Kaufentscheidung ab. Die guten Zahlen basieren auf dem Auftragsabbau noch vom letzten Jahr.
Die Stimmung ist auch mit Zahlen zu unterlegen: Die 126.690 neu zugelassenen Pkw liegen noch um 28,0 Prozent oder 49.219 Pkw unter dem Vorkrisen-Halbjahresergebnis von 2019.
CO2-Ziel verfehlt
Die Statistik Austria zählt ein Plus von 40 Prozent bei alternativen Antrieben: Benzin-Pkw (43.136, +0,8 %) machten im ersten Halbjahr 2023 einen Anteil von 34,0 Prozent aller neu zugelassenen Pkw aus, der Anteil von Pkw mit Dieselantrieb (25.278, +4,9 %) lag bei 20,0 Prozent. Weitere 21,6 Prozent der neu zugelassenen Pkw hatten einen Benzin-Hybridantrieb (27.323, +33,2 %), 6,0 Prozent einen Diesel-Hybridantrieb (7568, +13,3 %).
Der Anteil von rein elektrisch betriebenen Pkw (23.372, +61,3 %) an allen Pkw-Neuzulassungen erreichte knapp ein Fünftel (18,4 %). Von Jänner bis Juni 2023 hatten insgesamt 58.276 neu zugelassene Pkw einen alternativen Antrieb, dies entsprach einem Zuwachs von 39,6 Prozent auf einen Anteil von 46,0 Prozent an allen neu zugelassenen Pkw (2022: 38,4 %).
Das EU-Ziel von 95 g CO2/km wurde jedoch insgesamt verfehlt: Laut vorläufigen Daten betrugen die CO2-Emissionen (basierend auf dem WLTP-Testverfahren) von allen neu zugelassenen Pkw (inkl. Elektro- und Wasserstoffantrieb) im 1. Halbjahr 2023 106,7 g/km (2022: 116,8 g/km).
Wer die Statistik anführt
Die zehn wichtigsten Pkw-Marken wurden weiterhin von VW angeführt (18.637; Anteil: 14,7 %), gefolgt von Škoda (12.428; Anteil: 9,8 %), Audi (8755; Anteil: 6,9 %), BMW (8606; Anteil: 6,8 %) und Seat (7113; Anteil: 5,6 %).
Mit Ausnahme von Ford (−8,5 %) wurden bei allen Top-Ten-Marken Zugewinne beobachtet: Tesla +106,9 %, Škoda +30,8 %, Audi +23,4 %, VW +22,9 %, Seat +21,7 %, Toyota +13,9 %, BMW +12,3 %, Mercedes +11,7 % und Kia +2,8 %.
Die Volkswagen Konzernmarken sind im Marken- und Modell-Ranking stark vertreten: Volkswagen, Škoda und Audi (stärkste Premiummarke) stehen auf dem Podium. Beim Modell-Ranking: Octavia (1.), VW Golf (3.), SEAT Ateca (5.), VW Tiguan (6.), VW Caddy (7.) und SEAT Arona (8.) sind sechs Modelle in den Top Ten vertreten.
Didi Hubmann