Fast eine halbe Million neue Jobs, exakt 497.000 Stellen, sind in der US-Privatwirtschaft im Juni neu geschaffen worden. Das waren laut neuem "ADP Report" gut doppelt so viel wie erwartet. Dieser massive Stellenzuwachs wurde am Donnerstag als Hauptgrund für kräftige Kursverluste an den internationalen Börsen gewertet - von Frankfurt bis London, von Paris bis Wien, von Zürich bis New York rasselten die Kurse nach unten.
Wie passt das zusammen? Warum lassen überraschend gute US-Arbeitsmarktzahlen die Börsenkurse einknicken? Das hat mit der Zinspolitik der US-Notenbank Fed zu tun. Diese hatte zuletzt zwar eine "Zinspause" eingelegt, gleichzeitig aber auch betont, dass heuer noch weitere Zinsanhebungen wahrscheinlich sind. Die Inflation in den USA ist zwar deutlich zurückgegangen, liegt aber noch immer klar über den angepeilten zwei Prozent. Die Fed hat im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank ein sogenanntes "duales Mandat" zu erfüllen. Das bedeutet: Während die EZB allein der Preisstabilität verpflichtet ist, zumindest lautet so das Mandat, hat ihr US-Pendant zwei Entwicklungen im Auge zu behalten: Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Wie in der Euro-Zone wird auch in den USA die Preisstabilität bei einer Inflationsrate von zwei als gewährleistet angesehen. Entwickelt sich der Arbeitsmarkt in den USA also gut, hat die Fed mehr Spielraum, um sich der Inflationsbekämpfung anzunehmen, was für weiter steigende Zinsen spricht - ohne dabei gleich die Wirtschaft abzuwürgen. Es ist aber auch so, dass eine gute Beschäftigungslage, die häufig mit steigenden Löhnen verbunden ist, das Zeug dazu hat, die Inflation wieder anzuheizen, was dann erst recht wieder zu Zinserhöhungen führt.
Weitere Zinsanhebungen? Börsen reagieren allergisch
Die Aussicht auf weiter steigende bzw. lang anhaltend hohe Zinsen kommen jedenfalls an den Börsen gar nicht gut an. Warum? Sehr vereinfacht gesagt, belasten Zinsanstiege die Konjunktur, was auch die Wachstumsaussichten von Unternehmen eintrüben kann. Kredite und Refinanzierungen werden teurer, die Investitionsbereitschaft wird vielfach einbremst. Das kann Gewinnaussichten schmälern und dadurch die Aktienkurse belasten. Die aktuellen US-Jobdaten signalisieren der Fed nun aber, dass die US-Wirtschaft und damit der US-Arbeitsmarkt die bisherigen Zinsanhebungen recht gut verkraftet hat, was Entscheidungen für weitere Zinsschritte nach oben erleichtert.
"Schwerer Schlag"
Analyst Craig Erlam vom Broker Oanda sprach am Donnerstagabend von "einem weiteren schweren Schlag für die Hoffnungen auf eine länger anhaltende Zinspause der US-Notenbank Fed". Sollte eine weitere Zinsanhebung Ende Juli nicht ohnehin schon festgestanden haben, dann sei dies jetzt wohl der Fall, so seine Einschätzung. Eine Mehrheit der Fed-Mitglieder hat sich laut jüngstem Protokoll zuletzt für mindestens zwei weitere Erhöhungen in diesem Jahr ausgesprochen. Und bei der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen die Zeichen ohnehin auf weiter steigende Leitzinsen.
Kurse schwer unter Druck
An der Wiener Börse ging der Handelstag jedenfalls tiefrot zu Ende. Der Leitindex ATX verlor weitere 1,81 Prozent auf 3.100,85 Punkte, nachdem er bereits am Mittwoch um 1,5 Prozent an Wert eingebüßt hatte.
Der DAX in Frankfurt büßte sogar 2,57 Prozent ein. Das bedeutete den vierten Verlusttag in Folge und zudem ein Dreimonatstief. Der Euro-Stoxx-50 knickte um 2,93 Prozent ein - und fiel auf 4.223,09 Punkte. Der CAC-40 in Paris büßte 3,13 Prozent ein auf 7.082,29 Einheiten. In London verzeichnete der FTSE-100 ein Minus von 2,17 Prozent bei 7.280,50 Punkten. Der Schweizer Aktienmarkt hat ebenfalls stark nachgegeben und damit den Abwärtstrend seit Anfang der Woche noch beschleunigt. Nach einer bereits schwachen Eröffnung sackte der SMI am Nachmittag erstmals seit Ende März wieder unter die Marke von 11.000 Punkten. Der SMI schloss letztlich um 1,85 Prozent tiefer bei 10.986,78 Punkten. Und der Dow Jones in New York gab schließlich um 1,07 Prozent nach.