Wie geht's der steirischen Wirtschaft? Dieser Frage spürt die Wirtschaftskammer zweimal im Jahr mit ihrem Konjunkturbarometer nach. Knapp 800 steirische Unternehmen aus allen Regionen und in allen Größen wurden vom "iws" um eine rückblickende, eine aktuelle und eine zukünftige Einschätzung gebeten. Fazit der aktuellen Auswertung: "Es sieht nicht rosig aus, die Lage ist ernst", wie es WKO-Präsident Josef Herk formuliert. So meldeten 58,1 Prozent Unternehmerinnen und Unternehmer "eine Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftssituation". Lediglich 15 Prozent orten eine Entspannung der Lage, was zu einem Negativsaldo von 43,1 Prozentpunkten führt – ein auch im historischen Vergleich sehr schlechter Wert, wie Herk und WKO-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg betonen. Auch in Bezug auf den weiteren Jahresverlauf würden mit 8,4 Prozent nur wenige Unternehmen ein Licht am Ende des Tunnels sehen, während sich 59,4 Prozent pessimistisch zeigen. "Die negative Stimmung verfestigt sich leider auch beim Ausblick auf die nächsten Monate", so Herk. Aus seiner Sicht sei auch die Gefahr einer Rezession "nicht ganz von der Hand zu weisen".
Zahlreiche Forderungen
Ein kleiner Lichtblick: Wenn es um die Einschätzung der Lage des eigenen Unternehmens geht, ist das Bild noch von etwas mehr Zuversicht geprägt. Die Betonung liege aber auf "noch", wie Dernoscheg unter Verweis auf die Erwartungen für die nächsten Monate ausführt. "Da zeigen die Pfeile dann ebenfalls nach unten, das Erwartungssaldo rutscht in den negativen Bereich."
Aus diesem Bild leiten Herk und Dernoscheg Forderungen ab: Konkret pochen sie auf Maßnahmen zur Eindämmung der Preisdynamik, die rasche Erschließung heimischer Energiepotenziale sowie eine Abschaffung der CO₂-Steuer und ein Maßnahmenpaket zur Fach- und Arbeitskräftesicherung (u. a. Vollzeitbonus, Reform der Rot-Weiß-Rot-Card nach deutschem Vorbild für mehr qualifizierten Zuzug, flächendeckende Kinderbetreuung auch an Schulen und in den Ferien).
"Alarmierend" falle auch der Blick auf die Hauptsorgen der steirischen Wirtschaft aus: So geben 66,3 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer an, dass sie in den gestiegenen Arbeitskosten eine der größten Herausforderungen sehen. Trotz eingetrübter Konjunkturkulisse folgt auf Platz zwei der Arbeits- und Fachkräftemangel (57,9 Prozent), noch vor den hohen Energie- und Rohstoffpreisen (55,3 Prozent) sowie die Folgen der Inflation (53,6 Prozent). "Angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen ist es bemerkenswert, dass die unternehmerische Hauptsorge nach wie vor dem Thema Personal gilt – das zeigt, wie akut der Handlungsbedarf hier ist", so Herk und Dernoscheg.
"Willkommen auf der Standort-Titanic"
Vor dem Hintergrund, dass die Arbeitskosten jetzt schon als größte Herausforderung wahrgenommen werden, sei es umso wichtiger, dass es im Herbst bei den Lohnrunden zu keinen "überzogenen" KV-Abschlüssen komme, so Herk. Es brauche "Vernunft und Kreativität". Forderungen nach einer Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden – bei vollem Lohnausgleich – erteilt er naturgemäß eine Absage. Sollte es dazu kommen, könne man nur noch sagen, "willkommen auf der Standort-Titanic, die Eisberge warten schon", so Herk.