Gewerbe und Handwerk, allen voran die Baubranche samt Nebenbranchen, leiden unter einer Auftragsflaute. "Wir haben im ersten Quartal leider ein reales, also preisbereinigtes Minus verzeichnet", berichtete die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer (WKÖ), Renate Scheichelbauer-Schuster. Die Auftragseingänge bzw. Umsätze brachen um 9,2 Prozent ein. "Einen so kräftigen Rückgang gibt es selten." Nun sei die Politik gefordert, Maßnahmen zu setzen.
Im zweiten Quartal 2023 verzeichneten die investitionsgüternahen Branchen laut KMU Forschung Austria beim Auftragsbestand ein kräftiges Minus von 11,6 Prozent. Im Baugewerbe waren es im Schnitt minus 13,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die konsumnahen Branchen wiederum seien "insgesamt auf dem Erholungspfad, mit großen Branchenunterschieden". Den Bereichen Mode, Lebensmittelgewerbe (inklusive Bäcker und Konditoren) gehe es insgesamt am besten, das Kunsthandwerk und die Gesundheitsberufen wiederum haben die stärksten Auftragsrückgänge.
Überdurchschnittlich hohes Minus
Ebenfalls schlecht stehen der Bau und das Baunebengewerbe da. Immerhin machen sie mehr als 55 Prozent des Gesamtumsatzes von Gewerbe und Handwerk aus. Ein überdurchschnittlich hohes Minus im Auftragsbestand verzeichneten heuer im zweiten Quartal Tischler (minus 20,4 Prozent), Metalltechniker (minus 20,2 Prozent), Hafner, Fliesenleger und Keramiker (minus 15,9 Prozent) und das Baugewerbe (minus 13,1 Prozent).
"Das ist ein außerordentlich scharfer Einschnitt und bereitet uns Sorgen", betonte die Branchensprecherin am Mittwoch mit Blick auf die "Konjunkturlokomotive" Bau, die viele andere Gewerke wie den Innenausbau, Mobiliar oder Fliesen hinten nachziehe.
"Wir haben auch schon von Kündigungswellen gehört"
"Der private Wohnungs- und Hausbau ist eingebrochen beziehungsweise der großvolumige Wohnungsbau ist sehr stark rückläufig", fasste der Bundesinnungsmeister Bau, Robert Jägersberger, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der WKÖ-Sparte Gewerbe und Handwerk die aktuelle Lage zusammen. Die gestiegenen Material- und Personalkosten spiegelten sich 1:1 in den Baupreisen wider. Als weitere Faktoren für die ungünstige Entwicklung nannte er "die Lieferkettenthematik, die Energiekosten, die zusätzlichen Steuern wie die CO₂-Steuer und die steigenden Kreditzinsen". "Die Investitionen sind oft fremdfinanziert und kaum mehr stemmbar, mit den bisherigen Modellen", so Jägersberger. "Wir haben auch schon von Kündigungswellen gehört, weil fehlende Auftragseingänge verzeichnet wurden."
"Jetzt muss gehandelt werden, jetzt muss man das Ruder herumreißen", appellierte Scheichelbauer-Schuster an die Politik, rasch Schritte dagegenzusetzen. Heuer im ersten Quartal habe es bereits um ein Viertel mehr Insolvenzfälle im Baugewerbe gegeben als üblich. "Fakt ist, die Neuaufträge fehlen und der Wohnbau steht vor dem Stillstand." Es bedürfe Maßnahmen, die die Baukonjunktur forcierten, bekräftigte Jägersberger.
"Handwerkerbonus neu" gefordert
Auf der Wunschliste der Wirtschaftskammer stehen ein "Handwerkerbonus neu", der für mindestens zwei Jahre mit insgesamt jeweils 50 Millionen Euro angesetzt werden solle (und pro Person, Wohneinheit und Jahr mit 5000 Euro) sowie eine Attraktivierung der Wohnbauförderung und Impulse zur Schaffung von Wohnungseigentum. Auch die KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung der Finanzmarktaufsicht), die seit August 2022 gilt und Banken verschärfte Kreditvergaberichtlinien vorgibt, solle abgeschafft werden, um die Finanzierung von Immobilien wieder zu erleichtern. Zusätzlich fordert die Kammer eine Senkung der Grunderwerbssteuer.
"Sofortiges Handeln gefragt"
"Es ist ein sofortiges Handels gefragt", strich Jägersberger hervor. Auch die Wohnbaufördermittel gehörten aufgestockt. In der Vergangenheit habe die Wohnbauförderung ein Volumen von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehabt, derzeit seien es nur 0,4 Prozent. Weiters müssten die Förderrichtlinien angepasst werden – die derzeitige Baukostenobergrenze passe nicht mehr zu den Baupreisen und zur Zinssituation. Der Zugang zu den Fördermitteln sollte "niederschwelliger und unbürokratischer" sein. Außerdem sollte die Sanierungsrate angehoben werden, die derzeit bei "nicht ganz 1 Prozent" liege – Ziel seien aber 3 Prozent. Öffentliche Auftraggeber wie zum Beispiel die Gemeinden sollten laut Wirtschaftskammer etwa die Sanierung von Schulen und Kindergärten forcieren.
"Jedes Bauvorhaben hat ungefähr eine Vorlaufzeit von zwei Jahren – zwei Jahre Stillstand wären natürlich eine Katastrophe", schlug der Bauinnungsmeister Alarm.