1 Warum werden die Regeln für Arbeitslose mit geringfügiger
Beschäftigung verschärft?
ANTWORT: Laut Fachkräftebarometer blieben im ersten Quartal 2023 fast 230.000 Stellen in Österreich unbesetzt, beim AMS waren Ende Mai rund 117.000 offene Stellen gemeldet. Gleichzeitig sind rund 320.000 Menschen ohne Job. 10,5 bis 12 Prozent beziehen Arbeitslosengeld und beziehen einen geringfügigen Zuverdienst. Die Geringfügigkeitsgrenze liegt bei rund 500 Euro pro Monat, steuer- und abgabenfrei. Mehr Arbeitslose mit geringfügigem Zuverdienst in "vollversicherungspflichtige" Stellen zu bringen und Missbrauch zu verhindern: Das definiert Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) als Ziel seines Erlasses.

2 Was ändert sich nun für arbeitslose Personen mit geringfügiger
Beschäftigung?
ANTWORT: Der Erlass sieht die Verstärkung von Kontrollen und Sanktionen vor. Geringfügig Beschäftigte, die Arbeitslosengeld beziehen, sollen sich zunächst im eigenen Betrieb um eine reguläre Arbeit bemühen. Zeigt er bzw. sie dabei "mangelnde Eigeninitiative" oder "unplausible Reaktionen", droht künftig die Streichung des Arbeitslosengeldes. Außerdem wird das Arbeitslosengeld künftig schneller gesperrt, sollte es zu groben Pflichtverletzungen kommen – etwa durch das Unterlassen von Bewerbungen, die Vereitelung der Arbeitsaufnahme oder die Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit oder Bildungsmaßnahme. Künftig müssen Arbeitslose auch während der Sperrzeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Bisher hatte das AMS während dieser Zeit die Vermittlung eingestellt.

3 Haben auch Unternehmen mit Verschärfungen zu rechnen?
ANTWORT: Ja, auch die Betriebe werden angehalten, Jobs über der Geringfügigkeitsschwelle anzubieten. Hier will das AMS mit Zuckerbrot (Förderungen) und Peitsche (Förderverbot bei fehlender Kooperation) arbeiten. Unternehmen, die gleichzeitig offene Stellen melden und dennoch stark auf geringfügige Beschäftigung setzen, müssten mit schärferen Kontrollen rechnen. Auffälligkeiten würden der Finanzpolizei oder der Taskforce "Sozialbetrugsbekämpfung" gemeldet. Bereits jetzt würden in mehreren Bundesländern "Erhebungsdienste" Zeitaufzeichnungen von Betrieben prüfen, um Missbrauch zu verhindern, erklärt AMS-Vorstand Johannes Kopf. Und schon heute gebe es Anreize wie Eingliederungsbeihilfen bei der Annahme einer Vollzeitbeschäftigung.

4 Werden Arbeitslose also schikaniert?
ANTWORT: Schelte für Kocher gab es von der Opposition sowie vom Koalitionspartner. AK und ÖGB sprachen von Daumenschrauben für Arbeitslose. Kocher und Kopf verteidigen die Maßnahmen: Wer geringfügig dazuverdient, bleibt meist länger arbeitslos, verdient im neuen Job weniger und hat weniger Anreiz, die Arbeitsstunden aufzustocken.

5 Müssen Arbeitslose Jobs in anderen Bundesländern annehmen?
ANTWORT: Zusätzlich zum Erlass präsentierte Kocher neue Zielvorgaben für das AMS. Nicht nur die Vermittlung in Vollzeitstellen (sofern keine Betreuungspflichten oder andere Gründe zur Verringerung der Arbeitszeit vorliegen) soll in den Fokus rücken, auch die überregionale Vermittlung – etwa von Wien nach Tirol – werde an Bedeutung zulegen. Generell solle das AMS künftig individueller auf die Bedürfnisse von Arbeitslosen eingehen.

6 Warum will die Politik eigentlich die Mobilität Arbeitsloser steigern?
ANTWORT: Arbeitslosigkeit ist innerhalb Österreichs völlig ungleich verteilt. Das ist nicht neu, aber der weiterhin zunehmende Personalmangel führt dazu, dass sich etwa in den Tourismushochburgen des Westens die Lage für Firmen verschärft, während in Wien Tourismus-Fachkräfte keine Arbeit finden. Ein – sozial verträglicher – Ausgleich wäre anzustreben.

7 Nach den vielen Insolvenzen: Wie ist die Lage am Arbeitsmarkt?
ANTWORT: Aktuelle Zahlen zur Lage am Arbeitsmarkt folgen am Montag. Auch wenn mit einem leicht steigenden Trend bei der Arbeitslosigkeit zu rechnen ist: Der demografische Wandel verschärft den Fach- und Arbeitskräftemangel weiter. Wer durch die Insolvenz von Kika/Leiner & Co. jetzt seinen Job verliert, darf hat gute Chancen auf eine neue
Arbeitsstelle: Allein Hofer sucht derzeit Beschäftigte für 1000 offene Stellen, auch die anderen Lebensmittelketten haben eine Reihe vakanter Stellen.