Gleich zwei Ausrufezeichen, die aber jeweils auch für Debatten sorgen, hat Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) in dieser Woche gesetzt. Am Montag hatte er einen Erlass präsentiert, der strengere Regeln für Arbeitslose mit geringfügigem Zuverdienst vorsieht. Die auch vom Koalitionspartner geäußerte Kritik, wonach es sich hier teilweise um eine Schikane handle, will Kocher so nicht stehen lassen. In der ZiB2 des ORF betonte der Minister am Donnerstagabend, dass es sich um einen "ausgewogenen Erlass" handle - und nicht um Schikane. Es sei zumutbar, bei Unternehmen und Arbeitslosen mit geringfügigem Zuverdienst immer wieder nachzufragen. Ziel müsse es schließlich sein, mehr Beschäftigte in vollversicherte Stellen zu bekommen, zumal die Zahl der offenen Stellen weiterhin sehr hoch sei. Als "Druck auf Arbeitslose" wolle er das nicht verstanden wissen.
Die am Mittwoch vom Arbeitsminister präsentierten neuen Zielvorgaben für das AMS sorgen ebenfalls für gemischte Reaktionen. Die Arbeiterkammer beklagte etwa, entgegen früherer Praxis, nicht in die Erarbeitung mit eingebunden gewesen zu sein. Kocher verwies in der ZiB2 darauf, "laufend im persönlichen Austausch mit den Sozialpartnern zu sein". Zudem seien Vertreterinnen und Vertreter der Sozialpartner auch im Verwaltungsrat des AMS vertreten.
AMS-Chef: "Engagierte Zielvorgaben"
Die AMS-Zielvorgaben haben bisher ein geteiltes Echo ausgelöst. Während etwa die Wirtschaftskammer (WKÖ) sowie der IHS-Ökonom Helmut Hofer die neue Orientierung als Chance begrüßten, kam Kritik unter anderem von der FPÖ und der Arbeiterkammer (AK). Ein Befürworter ist auch AMS-Vorstand Johannes Kopf: Er sprach im ORF-Radio von "engagierten Zielvorgaben". Die aktuelle Situation sei dafür günstig.
Wie Kocher (ÖVP) am Mittwoch bekannt gab, soll für das Arbeitsmarktservice künftig die Vermittlung in Vollzeitstellen in den Fokus rücken. Auch die überregionale Vermittlung soll an Bedeutung gewinnen. Generell soll das AMS individueller auf die Bedürfnisse von Arbeitslosen eingehen. Bei der momentan niedrigen Arbeitslosigkeit könne man mehr Zeit für die einzelne Kundin oder den Kunden aufwenden, führte Kopf im "Ö1-Morgenjournal" aus. Klar sei aber, dass es dafür eine geeignete budgetäre und personelle Ausstattung brauche.
"Geringfügigkeitsfalle"
Positiv bewertet der IHS-Ökonom Helmut Hofer die neuen Zielvorgaben. Aufgrund des Fachkräftemangels am Arbeitsmarkt "macht es absolut Sinn, zu versuchen, alle möglichen Potenziale am Arbeitsmarkt zu mobilisieren", so Hofer im "Ö1-Mittagsjournal". Auch die Wirtschaftskammer stimmt den neuen Vorgaben zu. "Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird es nötig sein, dass nicht nur die Zahl der Teilzeitbeschäftigten, sondern auch jene der Vollzeitbeschäftigungen wieder steigt", betonte Generalsekretär Karlheinz Kopf in einer Aussendung. Aus "Integrationssicht" begrüßte laut Mitteilung auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) den neuen Fokus. Die Agenda Austria sieht eine Chance, die "Geringfügigkeitsfalle" zu entschärfen, wie sie in einer Aussendung kommunizierte.
AK-Kritik: Druck auf Jobsuchende könnte steigen
Mit Kritik reagierten die Freiheitlichen. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch befand die Vorgaben in einer Aussendung als "kopflos und an den echten Problemen meilenweit vorbei". Ein Problem sei die Zahl arbeitsloser Ausländer, das mit den neuen Regeln nicht gelöst werde. Die Arbeiterkammer befürchtet, dass damit der Druck auf Jobsuchende steigen werde. Der Leiterin Arbeitsmarkt und Integration bei der AK Wien, Silvia Hofbauer, fehlen zudem Vorgaben für die Umsetzung bei der Qualifizierung, wie sie im Mittagsjournal sagte. Die Organisation "arbeit plus", ein Netzwerk für gemeinnützige Unternehmen, vermisst wiederum einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit.
Erhebungsdienst, um Missbrauch zu verhindern
AMS-Chef Kopf äußerte sich am Donnerstag auch zum jüngsten Erlass Kochers zu geringfügig Beschäftigten. Ihnen soll das Arbeitslosengeld gestrichen werden, sollten sie zu wenig Initiative für einen Job mit mehr Arbeitsstunden zeigen. Außerdem sollen die Kontrollen verstärkt werden. "Minister Kocher verstärkt hier etwas, was wir eigentlich in mehreren Bundesländern schon tun", sagte er im ORF-Radio. So betreibe das AMS einen Erhebungsdienst, der Zeitaufzeichnungen von Betrieben überprüfe. Man versuche, Missbrauch zu verhindern, sowohl von Betrieben als auch von einzelnen Personen. Zudem arbeite man auch mit Anreizen wie Eingliederungsbeihilfen, wenn Unternehmen eine Vollzeitbeschäftigung annehmen.