Die heimische Wirtschaft befindet sich heuer in einer Stagnationsphase, die Inflation bleibt hoch. Die Arbeitslosenrate steigt aber nur minimal. Zu diesem Ergebnis kommen Wifo und IHS in ihrer heute vorgestellten Konjunkturprognose. Im laufenden Jahr soll sich das reale Wirtschaftswachstum auf 0,3 bzw. 0,5 Prozent belaufen, die Inflation bei 7,5 Prozent liegen. Zum Vergleich: Im Vorjahr betrug die Inflation 8,6 Prozent und die Volkswirtschaft wuchs real um 4,9 Prozent.

"Steigende und auch langfristig höhere Zinsen sowie hohe Unsicherheit drücken auf die private Investitionstätigkeit und schmälern die Wachstumsaussichten", sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der Konjunkturprognose am Mittwoch in Wien. "Die Inflation bleibt hartnäckig hoch." Die Inflationsrate werde heuer ganze 2 Prozentpunkte höher als in Deutschland und im Euroraum sein, so Felbermayr. "Mittelfristig geht die Inflation nur langsam zurück. Sie wird wohl noch 2027 leicht über der angestrebten 2-Prozent-Marke liegen."

Der scheidende interimistische IHS-Direktor Klaus Neusser sieht durch die Coronapandemie und den Ukraine-Krieg "eine Verschiebung des langfristigen Wachstumspfads in Österreich nach unten". Die Regierung müsse deswegen "mehr langfristig denken und die Angebotselemente verstärken", sagte Neusser bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wifo-Direktor Felbermayr. Es gebe "einen Reformstau in Österreich" und es wäre "an der Zeit, das Steuersystem zu überdenken".

Gegenüber der März-Prognose erhöhte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) die Inflationserwartung für 2023 um 0,4 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent, das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet für heuer wie im März eine Teuerungsrate von 7,5 Prozent. Die hohe Inflation in Österreich drückt laut IHS auf den privaten Konsum. Für 2024 bestätigte das Wifo die bereits im März prognostizierte Inflationsrate von 3,8 Prozent, das IHS erhöhte um 0,5 Prozentpunkte auf 4 Prozent.

Für das laufende Jahr erwarten die Institute - wie in ihrer März-Prognose - ein reales Wirtschaftswachstum von 0,3 bzw. 0,5 Prozent. Einer Rezession in der Industrie stehen laut Wifo Wertschöpfungszuwächse im Dienstleistungssektor gegenüber. Österreich liege besser als Deutschland, das in einer Rezession stecke (-0,4 Prozent), aber nur halb so gut wie der Euroraum (+0,6 Prozent).

Hohe Inflation, steigende Zinsen, Unsicherheiten

Belastungsfaktoren für die heimische Wirtschaft seien die hohe Inflation, steigende Zinsen, die durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Unsicherheiten sowie die ungünstigen internationalen Rahmenbedingungen, so das IHS. Für das kommende Jahr senkte das Wifo die Wachstumsprognose für die heimische Wirtschaft um 0,4 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent, das IHS beließ die Schätzung bei 1,4 Prozent.

Österreichs Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren eine Achterbahnfahrt erlebt: Nach dem coronabedingten Einbruch des realen Wirtschaftswachstums im Jahr 2020 von minus 6,5 Prozent ging es 2021 mit plus 4,6 Prozent und 2022 mit plus 4,9 Prozent wieder steil nach oben. Im zweiten Halbjahr 2022 setzte ein internationaler Konjunktureinbruch ein, der auch Österreichs Volkswirtschaft erfasste.

Profiteur der hohen Teuerung ist der Staat

Das schwache Wirtschaftswachstum hinterlässt aber relativ wenig Spuren am Arbeitsmarkt. Das Wifo geht von einem Anstieg der nationalen Arbeitslosenrate von nur 0,1 Prozentpunkten auf 6,4 Prozent aus, das IHS rechnet mit einem Anstieg von 0,2 Prozentpunkten. Der robuste Arbeitsmarkt, kräftige nominelle Lohnzuwächse und eine sinkende Sparquote sollten heuer laut den Konjunkturexperten zu einem Anstieg des realen, privaten Konsums von 0,9 bzw. 0,5 Prozent führen. Für 2024 gehen die Ökonomen von einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 6,1 bzw. 6,3 Prozent aus.

Ein Profiteur der hohen Teuerung ist der Staat: Inflationsbedingt steigen die Steuereinnahmen deutlich stärker als die Staatsausgaben und das nominelle Bruttoinlandsprodukt soll im laufenden Jahr um 7,6 Prozent auf 481 Mrd. Euro klettern. Das Wifo rechnet für heuer mit einem staatlichen Finanzierungssaldo in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von minus 2,2 Prozent, das IHS mit einem Budgetsaldo von minus 2,6 Prozent. Für 2024 rechnen die beiden Institute nur mehr mit einem Finanzierungssaldo des Staats laut Maastricht-Definition von -1,2 bzw. -1,6 Prozent. "Es gilt Kurs zu halten und etwaige neue Ausgaben nur mit Gegenfinanzierung durchzuführen", so Felbermayr. Zum Vergleich: In den Coronajahren 2020 und 2021 belief sich das staatliche Budgetsaldo noch auf -8,0 und -5,8 Prozent.

"Schreckensszenarien nicht eingetreten"

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) freute sich nach dem Ministerrat mit Blick auf die neuesten Prognosen, dass "alle Schreckensszenarien" wie Energieengpässe, eine Rezession und einhergehende Einkommensverluste und höhere Arbeitslosenzahlen nicht eingetreten seien. Im europäischen Vergleich stehe Österreich gut da und die Hilfen seien im internationalen Vergleich auch treffsicher erfolgt, bekräftigte der Politiker einmal mehr. Hierzulande sei die Kaufkraft leicht gestiegen, die Haushaltseinkommen hätten ein leichtes Plus verzeichnet (0,6 Prozent).

Auch zur hohen Inflation versuchte Brunner einmal mehr zu beschwichtigen und verwies darauf, dass in Österreich ein hoher Dienstleistungsanteil im Warenkorb sei, da der Tourismussektor stärker sei als in anderen Ländern. Mit dem deutschen Warenkorb würde die heimische Rate um einen Prozentpunkt tiefer liegen, argumentierte Brunner. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) verwies auf die mit 77,5 Prozent höchste Erwerbsquote aller Zeiten, die Arbeitslosigkeit sei zuletzt nur leicht gestiegen und werde mit der Rückkehr eines Wachstums ab Ende des Jahres auch wieder sinken.