Annette Mann, die Frau „aus einem Kaff in Bayern“, wie sie selbst lachend sagt, sitzt seit fast eineinhalb Jahren am Schubhebel der Austrian Airlines in Wien. Lange stand sie auf der Wunschliste für den Salon der Kleinen Zeitung. Fliegen emotionalisiert, die rot-weiß-rote Airline überhaupt, auch wenn sie zur Lufthansa gehört. Wie gut Annette Mann mit den Österreichern kann, zeigt sich an diesem Abend mit den gut 50 Gästen. Sie genießt das Bad in der Menge. Sie kann entspannt sein, die AUA erlebt ein starkes Comeback nach der Pandemie. Der heurige Sommer läuft so gut, dass vielleicht das gesamte Jahr besser werden könnte als 2019.
Einen Steinwurf weit von der Grenze entfernt ist die Topmanagerin auf der anderen Seite des Innviertels aufgewachsen. Im Gespräch mit Podcast-Leiterin Barbara Haas erzählt sie, wie es ihr als Frau an der Spitze geht, an Klischees will sie dabei aber nicht anstreifen. „Ich erlebe so viele tolle Kollegen, ich glaube, es geht weniger um eine Frauensache als um eine Generationenfrage.“ Es verändere sich viel, Männer steckten heute nicht mehr wie vor 20 Jahren in Rollen-Korsetts.
Sie selbst hat sich in 20 Jahren im Lufthansa-Konzern ins Topmanagement hochgearbeitet, immer unter dem Leitsatz „Anständig sein“, das haben ihre Eltern so vorgelebt, ein Ingenieur bei Siemens und eine Lehrerin. Als ihr Vorgänger Alexis von Hoensbroech für seinen Karrieresprung nach Kanada über Nacht ging, wurde die bis dahin oberste Konzernverantwortliche für Nachhaltigkeit erstmals Chefin. Eine beherzte: Sie sprengte das Korsett des staatlichen Hilfspakets zwei Jahre vor dessen Ablauf, um wachsen zu können. Seit Jahresbeginn sind 600 neue Mitarbeiter gekommen, 5700 Mitarbeiter hat die AUA jetzt. „Wir investieren wieder selbstbewusst“, erzählt sie. „Wir nutzen dafür den Rückenwind unserer starken Auslastung.“ Grund für Übermut gebe es aber keinen. „Durch Corona sind unsere Reserven abgeschmolzen, das wird noch dauern, bis die wieder aufgebaut sind.“ Noch behaupte sie nicht, dass die AUA ein völlig gesundes Unternehmen sei.
"Nachholbedarf im touristischen Segment"
Wenn in Kürze der vierte Airbus der neuen Generation im Anflug ist, könnten mit 64 statt einst 80 Fliegern Passagierrekorde geknackt werden. „Wir spüren noch immer einen Nachholbedarf im touristischen Segment“, erzählt Mann. Tatsächlich sind Flugzeuge und Flughäfen derzeit so voll, als ob die Klimaschädlichkeit des Fliegens keine Rolle spiele. Sie selbst will sich keine Restriktionen beim Fliegen vorstellen: „Dann wäre ich nicht die, die ich geworden bin.“ Sie setzt nach an besonders empfindlicher Stelle: „Immer mehr Menschen machen Besuchsreisen und fliegen zu Familien und Freunden im Ausland.“ Und Firmen gingen spätestens von Teams-Meetings ab, wenn die Konkurrenz Kunden durch bessere persönliche Kontakte abspenstig machen könnte.
„Unsere nachhaltige Transformation kann nicht über Nacht passieren“, sagt Mann. 2030 werde aber hoffentlich gut die Hälfte der Flotte aus neuen Jets bestehen, die 20 bis 25 Prozent weniger Sprit brauchen. Von 2024 bis 2028 wird die gesamte Langstrecke auf „Dreamliner“ umgestellt, zudem wird die Flotte auch um einen dieser Langstrecken-Boeings von neun auf zehn aufgestockt. Diese Investition zahlt auf den „klaren Pfad“ (Mann) zur CO₂-Reduktion ein. Um 30 Prozent will die AUA den Ausstoß bis 2030 senken – und zwar auf der „Science Based Targets Initiative“, wo echt reduziert werde. Die in der Kritik stehenden Kompensationen – der Vorwurf lautet „Greenwashing“ – allein seien unzureichend. „Dann passiert zu wenig im Unternehmen.“
Claudia Haase