Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich in der Rezession weiter deutlich verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima sank von Mai auf Juni überraschend kräftig um 3,0 auf 88,5 Punkte und damit das zweite Mal in Folge, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zur Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Dies ist der tiefste Stand seit November 2022. Fachleute hatten nur mit einem Rückgang auf 90,7 Zähler gerechnet.

"Vor allem die Schwäche der Industrie bringt die deutsche Konjunktur in schwieriges Fahrwasser", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Managerinnen und Manager bewerteten ihr aktuelles Geschäft skeptischer und ihre Aussichten wesentlich ungünstiger als zuletzt. Ökonomen warnen nun vor einer längeren Rezession.

Erheblich eingetrübt

Von November bis April war das wichtigste Barometer für die deutsche Konjunktur sechsmal in Folge gestiegen. Ein Rückgang des Ifo-Index habe sich zwar abgezeichnet, sagte Analyst Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. "Aber dass es so deutlich abwärts ging, schockiert dann doch – wir stecken mitten in einer Rezession." Auch im laufenden zweiten Quartal dürfte es mit der Wirtschaftsleistung insgesamt spürbar bergab gehen. Eine Konjunkturerholung rücke damit in weite Ferne. "Es braut sich ein konjunkturelles Unwetter zusammen", sagte DekaBank-Analyst Andreas Scheuerle. "Dies wirkt aber über den Tag hinaus, denn bei so stark sinkenden Geschäftserwartungen werden Investitionsentscheidungen auf die lange Bank geschoben."

Im verarbeitenden Gewerbe habe sich das Geschäftsklima erheblich eingetrübt, betonte Ifo-Chef Fuest. Die Erwartungen seien auf den niedrigsten Stand seit November 2022 gefallen. "Kaum eine Branche konnte sich dieser Entwicklung entziehen." Auch die aktuelle Lage werde weniger gut bewertet. Mittlerweile beurteilten viele Firmen ihren Auftragsbestand als zu niedrig. "Es gibt kaum Lichtblicke", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. "Die weltweiten Zinserhöhungen dämpfen die Nachfrage nach Waren 'Made in Germany'." Auch im Dienstleistungssektor, im Handel und am Bau sank der Geschäftsklimaindex laut Ifo.

Real verfügbare Einkommen stabilisieren sich dennoch

Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 jeweils zum Vorquartal geschrumpft. Sie befindet sich damit nach einer Daumenregel von Fachleuten in einer technischen Rezession. Die Bundesbank geht derweil davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni "wieder leicht steigen" dürfte – auch dank der Verbraucher. "Der private Konsum sollte seine Talsohle durchschreiten", schrieben die Fachleute der deutschen Notenbank in ihrem Monatsbericht: "Denn dank kräftig steigender Löhne stabilisieren sich die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte trotz der noch sehr hohen Inflation." Dies helfe den Dienstleistern, die ihre Aktivität insgesamt wohl deutlich ausweiteten.

Deutschland-Chefökonom Stefan Schneider von der Deutschen Bank erwartet zwar immer noch ein moderates BIP-Wachstum im zu Ende gehenden Quartal, räumte nach den Ifo-Daten aber ein: "Die Aussichten auf eine weitere Erholung in der zweiten Jahreshälfte erscheinen nun weniger gewiss." Jörg Angele vom Vermögensverwalter Bantleon ist noch pessimistischer und hält ein Ende der Rezession in Deutschland für nicht absehbar. "Die wirtschaftliche Schwächephase ist die logische Folge der massiven geldpolitischen Verschärfung in der Eurozone sowie in den wichtigsten Abnehmerländern." Solange die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken die Zinsen weiter erhöhten oder nicht senkten, sei eine konjunkturelle Trendwende wenig wahrscheinlich. Der Ifo-Index habe sein zyklisches Tief noch nicht erreicht und die deutsche Wirtschaft dürfte 2023 um 0,7 Prozent schrumpfen, betonte Angele.

"Wachstum wird bei plus/minus null sein"

Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, geht für das laufende Jahr weitgehend von einer Stagnation aus. "Das Wachstum wird bei plus/minus null sein", sagte die Regierungsberaterin und Vorsitzende des Sachverständigenrats jüngst zu Reuters. Ab der zweiten Jahreshälfte werde es wohl eine Erholung geben. "Das hängt von China ab." Allerdings bremse der Zinserhöhungskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) die Konjunktur.

Das deutsche Wirtschaftsministerium äußerte sich nicht konkret zu den Ifo-Zahlen. "Es gibt Indizien, dass sich die Lage im Laufe des Jahres weiter verbessern wird", sagte eine Sprecherin.