Mit verstärkten Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten soll das Arbeitsmarktservice (AMS) Arbeitslose mit geringfügigem Zuverdienst rascher in Jobs über der Geringfügigkeitsgrenze vermitteln. Das sieht ein entsprechender Erlass von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) vor. Gleichzeitig sollen Unternehmen, die auffällig viele arbeitslose Geringfügige beschäftigen, strenger kontrolliert werden, hieß es am Montag in einer Aussendung des Arbeitsministeriums.
"Aufgrund des weiterhin bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangels und des hohen Niveaus an offenen Stellen soll die Vermittlung Arbeitsloser auf vollversicherungspflichtige Stellen durch das AMS intensiviert und zukünftig noch verbindlicher gestaltet werden", so Arbeitsminister Kocher. Geringfügig Beschäftigte, die Arbeitslosengeld beziehen, sollen sich zunächst im eigenen Betrieb um eine reguläre Arbeit bemühen. Wer dabei "mangelnde Eigeninitiative" oder "unplausible Reaktionen" zeigt, dem droht künftig die Streichung des Arbeitslosengeldes.
Sperre des Arbeitslosengeldes
Darüber hinaus sieht der Erlass vor, dass grobe Pflichtverletzungen – wie das Unterlassen von Bewerbungen, die Vereitelung der Arbeitsaufnahme oder die Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit oder Bildungsmaßnahme – künftig schneller zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes führen. Arbeitslose müssen künftig auch während der Sperrzeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Bisher hatte das AMS während der Sperrzeit die Vermittlung eingestellt.
Auch die Betriebe werden angehalten, Arbeitsplätze über der Geringfügigkeitsschwelle anzubieten. Dazu sollen einerseits Förderungen angeboten werden, andererseits könnte bei fehlender Kooperation auch ein Förderverbot ausgesprochen werden. Betriebe, die gleichzeitig offene Stellen haben und dennoch stark auf geringfügige Beschäftigung setzen, müssten mit schärferen Kontrollen rechnen. Weitere Auffälligkeiten würden der Finanzpolizei oder der Taskforce "Sozialbetrugsbekämpfung" gemeldet.
Geringfügigkeitsgrenze liegt derzeit bei rund 500 Euro
Die Geringfügigkeit war erst im Dezember einer der Hauptgründe für das Scheitern der von ÖVP und Grünen fast ausverhandelten Arbeitsmarktreform. Die ÖVP wollte damals die Zuverdienstgrenze für Arbeitslose abschaffen, was die Grünen wiederum ablehnten. Sie sehen darin ein wichtiges Instrument zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und zur Verhinderung des Abstiegs in die Armut. "Nachdem es zu keiner Einigung über eine umfangreiche Reform mit dem Koalitionspartner gekommen war, agiert das Arbeits- und Wirtschaftsministerium nun im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten", hieß es nun aus dem ÖVP-geführten Ministerium zum Erlass.
Die Geringfügigkeitsgrenze liegt derzeit bei rund 500 Euro – wer weniger verdient, zahlt keine Sozialabgaben und Steuern. Die Geringfügigkeitsgrenze halte daher viele davon ab, ihre Arbeitsstunden aufzustocken, so eine wiederholte Kritik von Arbeitsminister Kocher. Zudem zeigten Analysen, dass Personen, die während ihrer Arbeitslosigkeit eine geringfügige Beschäftigung aufnehmen, länger arbeitslos bleiben und später im neuen Job weniger verdienen.
Laut Ministerium waren 2022 rund neun Prozent aller geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse mit einem Bezug aus der Arbeitslosenversicherung verbunden. Gleichzeitig gingen im Jahresdurchschnitt rund 10,5 Prozent bis zwölf Prozent aller AMS-Leistungsbezieher einer geringfügigen Beschäftigung nach.
"Daumenschrauben": Kritik von AK und ÖGB
Mit Ablehnung reagierten der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sowie die Arbeiterkammer (AK) auf die Maßnahme. "Anstatt arbeitssuchende Menschen zu schikanieren, sollten diese zum Beispiel durch bessere Qualifizierungen auf die offenen Stellen vorbereitet werden", kritisierte die leitende ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl. Ähnlich der Kommentar von AK-Präsidentin Renate Anderl: "Nachdem Minister Kocher es nicht geschafft hat, eine umfassende Arbeitsmarktreform umzusetzen, die auf die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt eingeht, setzt er bei Arbeitslosen wieder die Daumenschrauben an."