"Wahnsinnssicherheitsanforderungen". Es ist ein monströses Wort, das SES-Imagotag einen gigantischen Auftrag bringt.
"Walmart hat Wahnsinnssicherheitsanforderungen", sagt Michael Moosburger im gut klimatisierten Büro. Gemeinsam mit Andreas Rößl gründete der Steirer 2010 das auf elektronische Preisschilder spezialisierte Unternehmen Imagotag. Nach einer Fusion im Jahr 2014 gilt SES-Imagotag heute als klarer Weltmarktführer – und beliefert als solcher eben den weltgrößten Einzelhändler. In einer ersten Phase werden jetzt 500 Walmart-Standorte mit 60 Millionen digitalen Preisschildern versorgt, pro US-Filiale werden also durchschnittlich 120.000 Stück geliefert. Im Einsatz sind komplett batterielose Schilder, Energie beziehen sie über Schienen an der Regalkante.
Mehr als 350 Einzelhandelskonzerne aus Europa, Asien und Nordamerika zählt SES-Imagotag heute zur Kundschaft. Aktuelle Großaufträge gibt es nicht nur von Walmart, sondern auch von Unternehmen wie Ikea oder Spar. Allesamt Zeugnis dessen, dass eine anfangs kritisch beäugte Technologie am Weg ist, Standard zu werden.
1,5 Milliarden Umsatz in fünf Jahren?
Während Verbraucherschützer die elektronischen Preisschilder nach wie vor argwöhnisch beobachten, scheint der Handel vollends überzeugt. Preisstrategien kann dieser dank ESL ("Electronic Shelf Labels") voll automatisieren, das Personal wird um zeitaufwendige und wenig beliebte Handgriffe entlastet. Auftragsvorbereitung und Bestandsaufstockung werden optimiert.
Die sukzessive Ausrollung im globalen Handel führt wiederum zu großem Wachstum beim Produzenten. Setzte Imagotag 2012 sechs Millionen Euro um, sind es elf Jahre später nun als SES-Imagotag bald 800 Millionen. In fünf Jahren, so die Prognose, könnte der Umsatz gar bei 1,5 Milliarden Euro liegen.
Wachstumsraten zwischen 30 und 40 Prozent wurden zum Usus der letzten Jahre. Selbst in der Pandemie kam man mit "einem blauen Auge davon" und wuchs weiter, erzählt der für Lieferketten zuständige Manager Christian Weißensteiner. Das hätte auch mit den großen Mengen an Chips zu tun, die der Hersteller verbaut.
Neue Märkte, eigener Bluetooth-Standard
So avancierte SES-Imagotag zu einem wichtigen Abnehmer der Halbleiterindustrie – und zu einem priorisierten Kunden in Zeiten der Lieferengpässe. "Zurzeit fertigen wir pro Woche zwei Millionen Stück", sagt Weißensteiner in Fernitz mit Blick auf die Produktionsstandorte in China, Vietnam und Mexiko.
Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. "Bereiche wie Mode und Schuhe sind erst im Kommen", erzählt Michael Moosburger. Auch für Autohändler bieten die Steirer erste Produkte mit Ortungsfunktion an. Nicht zuletzt gäbe es geografisch riesige Märkte wie die USA, die erst am Beginn des Umbruchs steckten.
Mit dem Wachstum des Marktes wächst auch die Konkurrenz. Die Bandagen in der Branche werden härter, potenzielle Patentverletzungen präsenter, auch SES-Imagotag verklagte einen Mitbewerber. Selbst verweist Andreas Rößl auf "500 aktive Patente". Nicht zuletzt wurde ein neuer Bluetooth-Übertragungsstandard entwickelt. SES-Imagotag war mit dem US-Chiphersteller Qualcomm – übrigens ein Miteigentümer des Preisschildspezialisten – treibende Kraft. Der Standard soll "extrem stromsparend und hochsicher" sein. Zugleich bringt die Normierung Händlern die Möglichkeit, ESL-Komponenten von verschiedenen Herstellern zu verbinden.
Getüftelt wurde an der Norm primär in Fernitz. Im Süden von Graz schlägt noch immer das technologische Herz des an der französischen Börse notierten Konzerns. 160 von knapp 750 Beschäftigten sitzen im "Smart Office", im nächsten Jahr sollen es mehr als 200 sein. Durchwegs herausfordernd sei das Finden geeigneter Fachkräfte. Punkten will SES-Imagotag mit betont flexiblen Arbeitszeiten und -orten.