Seit 2022 hat Österreich eine deutlich höhere Inflationsrate als der Euroraum, zuletzt waren es um 2,6 Prozentpunkte mehr. Das liege an einem Bündel von Ursachen, sagt Birgit Niessner, Leiterin der Volkswirtschaftlichen Hauptabteilung der Nationalbank (OeNB). Der hauptsächliche Beitrag komme von Dienstleistungen, im Besonderen der Gastronomie, und den Energiepreisen. Die aktuell sinkenden Großhandelspreise kommen langsamer bei den Endverbrauchern an als in anderen Ländern, so die Volkswirtin. Unter anderem liege das an den längeren Bindungen bei Energieverträgen. Bei Dienstleistungen seien die Preise um gut drei Prozentpunkte, in der Gastronomie sogar um sechs Prozentpunkte stärker gestiegen als im Euroraum. Dazu komme, dass Dienstleistungen im heimischen Warenkorb höher gewichtet sind als in anderen Ländern.

Aber auch die Unternehmensgewinne spielten bei der Teuerung eine maßgebliche Rolle, sagte der Leiter des Konjunktur-Referats der OeNB, Gerhard Fenz. So sei die innerösterreichische Inflation (gemessen am BIP-Deflator) 2022 bei 6,4 Prozent gelegen, die Gewinne machten davon vier Prozentpunkte aus. Die Bedeutung der Gewinne für die Teuerung gilt vor allem für den Energiebereich, wo die sektorale Inflation bei 34,6 Prozent lag und "fast zur Gänze" von Gewinnen getrieben war. Auch Landwirtschaft, und Bau hatten überdurchschnittliche Inflation, die stark mit Gewinnen zusammenhing. In der Industrie hingegen dämpfte der Gewinnrückgang sogar die Inflation – was Fenz mit der internationalen Konkurrenzsituation in Zusammenhang bringt.

Gewinne erklären ein Viertel des Preisanstiegs

Für 2023 und 2024 erwartet Fenz, dass die Gewinne unter Druck kommen und weniger zur Inflation beitragen werden. Das liege an der schwachen Konjunktur, an steigenden Abschreibungen und vor allem an stark steigenden Lohnstückkosten, die die verzögerte Inflationsabgeltung im Rahmen der KV-Abschlüsse, aber auch die im internationalen Vergleich hohen Abschlüsse in Österreich abbilden.

Wenn man die Zeit von 2020 bis 2024 betrachtet, erklären die Gewinne ein Viertel des Preisanstiegs und das entspreche dem Anteil der Gewinne an der Wertschöpfung, so Fenz. Daher könne man sagen, dass sich über die Jahre Gewinn- und Lohnanstiege ausgleichen.

Laut einer Aussendung des Momentum-Instituts betrug die hausgemachte Inflation in Österreich im ersten Quartal 7,3 Prozent. Davon seien 4,9 Prozentpunkte auf Unternehmensgewinne und 2,4 Prozentpunkte auf Löhne zurückgegangen. In sechs der 20 Euroländer trugen Gewinne stärker zum Preisanstieg bei. Im Schnitt der Eurozone waren es allerdings nur 3,4 Prozentpunkte.

Wifo: Preisdämpfende Maßnahmen später umgesetzt 

Auch das Wirtschaftsforschungsforschungsinstitut Wifo präzisiert in einem aktuellen Forschungsbericht die wesentlichsten Ursachen für die Über-Inflation in Österreich. Österreich habe preisdämpfende Maßnahmen später umgesetzt als im restlichen Euroraum. Im Gegensatz zu anderen Euroraum-Ländern wie Deutschland, Italien und Spanien gab es keine Eingriffe in die Mehrwertsteuer.

Aber auch die expansive Fiskalpolitik habe zur hohen Teuerungsrate beigetragen. Zusätzlich kurbelte der wieder zunehmende internationale Tourismus die Inflation an. Schließlich sind Touristen nach der Pandemie bereit, mehr Geld für den Urlaub auszugeben. Nach Ansicht des Wifo zählt auch die verzögerte Anpassung der Energiepreise zu den Ursachen der hohen Teuerungsrate. In anderen Ländern des Euroraums sei es rascher zu einer Anpassung an die Großhandelspreise gekommen.

Zwar gab es zuletzt, so das Wifo, hohe Lohnerhöhungen. Aber deren Effekt auf die Inflation war nur von kurzer Dauer, ist man beim Wifo überzeugt. Mit der Anpassung der Energiepreise sowie einer Stabilisierung der Nahrungsmittelpreise sollte der Inflationsabstand zu den anderen Ländern des Euroraums jedoch abnehmen. Negativ auswirken könnte sich jedoch, wenn die Ausgaben für Freizeitaktivitäten weiterhin hoch bleiben.

"Kein sehr glückliches Timing"

Die Analyse der OeNB zeigt aber ebenfalls: Hätte die Regierung keine Maßnahmen gesetzt, dann wäre die Inflation im Vorjahr niedriger gewesen als sie es tatsächlich war. Allerdings wäre sie dafür heuer höher ausgefallen. Ein wichtige inflationstreibende Maßnahme im Vorjahr lag im Auslaufen der Umsatzsteuersenkung, was "kein sehr glückliches Timing war", so Niessner.

Die OeNB hat auch berechnet, wie sich die Teuerung in Österreich entwickelt hätte, wenn Maßnahmen wie in andern Euroländern ergriffen worden wären. Das hätte dazu geführt, dass die Inflation im Vorjahr um einen Prozentpunkt niedriger, heuer dafür um einen halben Prozentpunkt höher ausgefallen wäre.

Strompreisbremse wirkt

Während Transfers und Indexierungen die Inflation in Österreich im Vorjahr antrieben, habe es kaum preisdämpfende Maßnahmen gegeben, so Niessner. Dafür wirke heuer vor allem die Strompreisbremse in Österreich preisdämpfend. Heuer sei es also "schon so, dass die Inflation durch politische Maßnahmen gesenkt wurde". Aber 2024 werde die Inflation schon wieder höher ausfallen, als es ohne politische Maßnahmen der Fall gewesen wäre. Denn "wenn die Strompreisbremse ausgesetzt wird, gehen die Preise auch wieder nach oben", so Niessner, die davon ausgeht, dass der Strompreis ohne Stützungen über 10 Cent pro kWh liegen wird.

Österreich habe sehr stark auf einkommensstützende Maßnahmen gesetzt. Dadurch wurde der inflationsbedingte Rückgang der Haushaltseinkommen 2022 zu 90 Prozent und 2023 zu 70 Prozent kompensiert.