Während die US-Notenbank Fed am Mittwoch – nach zuvor zehn Anhebungen in Folge – eine "Zinspause" eingelegt hat, sieht die Situation in der Euro-Zone anders aus. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die - seit Sommer des Vorjahres - achte Zinsanhebung in Folge beschlossen. Der Leitzinssatz steigt neuerlich um 0,25 Prozentpunkte auf nunmehr 4,0 Prozent. Einen höheren Stand gab es zuletzt zu Beginn der weltweiten Finanzkrise im Oktober 2008 mit 4,25 Prozent. Die Inflationsprognose für das Gesamtjahr 2023 hat die EZB indes um 0,1 Punkte auf 5,4 Prozent erhöht.
Wenn Banken Geld bei der EZB "parken", erhalten sie dafür künftig 3,50 Prozent Zinsen, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Seit Juli 2022 hat die EZB angesichts der hartnäckig hohen Teuerung die Zinsen in einer beispiellosen Serie angehoben. Nach mehreren Anhebungen um 0,50 Punkte drosselte die Notenbank zuletzt etwas das Tempo. Auch im Mai setzten die Währungshüter die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte herauf.
Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Zwar schwächte sich die Inflation im Mai ab. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge um 6,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im April war noch eine jährliche Teuerungsrate von 7,0 Prozent verzeichnet worden. Die Rate liegt aber weiterhin deutlich über dem mittelfristigen Inflationsziel der EZB von zwei Prozent, bei dem die Notenbank Preisstabilität gewahrt sieht.
"Wir denken nicht über eine Pause nach"
"Die Inflation ist zwar zurückgegangen, dürfte aber noch zu lange zu hoch bleiben", erklärte die EZB. "Die Indikatoren für den zugrunde liegenden Preisdruck sind nach wie vor stark, auch wenn sich einige erste Anzeichen einer Abschwächung zeigen." Die Inflation im Euroraum war im Mai merklich auf 6,1 Prozent zurückgegangen. Allerdings hatte die Teuerungsrate zuvor im April sogar noch leicht angezogen und war von 6,9 Prozent im März auf 7,0 Prozent gestiegen.
Die EZB verwies nun auf "vergangene Aufwärtsüberraschungen" sowie die Auswirkungen des robusten Arbeitsmarktes. Bei niedriger Arbeitslosigkeit steigen tendenziell die Löhne, was wiederum Preissteigerungen ankurbeln kann. Die EZB-Experten korrigierten deshalb ihre Inflationsprognose leicht nach oben. Für heuer war die EZB in ihrer März-Prognose von 5,3 Prozent ausgegangen, nun sind es 5,4 Prozent. Für 2024 sagt sie eine Teuerungsrate von 3,0 Prozent (März-Prognose 2,9 Prozent) voraus. Für 2025 wird eine Rate von 2,2 (2,1) Prozent erwartet.
"Wir denken nicht über eine Pause nach", sagte hingegen Lagarde. Solange es keine signifikanten Änderungen in den Annahmen über die weitere Entwicklung gebe, werde die Zentralbank im Juli die Zinsanhebung fortsetzen. Die EZB sei "noch nicht fertig" mit ihren Bemühungen, die Inflation zu senken.
"USA sind uns in der Inflationsbekämpfung voraus"
Vor dem Hintergrund der noch immer viel zu hohen Inflation sei es richtig, dass die EZB weiter die Zinsen anhebt und auch in Zukunft daran festhält, kommentiert der stellvertretende Direktor der Agenda Austria, Hanno Lorenz, die Entscheidung des EZB-Rats. "Die USA sind uns in der Inflationsbekämpfung voraus. Die Inflationsraten sowie Kerninflation sind in den USA bereits deutlich niedriger. Daher wäre eine Pause der Zinsschritte zu früh gewesen."
Hauptaufgabe der EZB sei die Preisstabilität, die sie selbst bei zwei Prozent definiert. Davon sei man noch immer sehr weit entfernt, so Lorenz: "Die heimische Politik hat mit ihren staatlichen Hilfsprogrammen das ganze Land für bedürftig erklärt und so die Preise weiter nach oben getrieben." Österreich wird nicht nur 2023, sondern auch 2024 über der Inflation in der Eurozone liegen. "Will der Staat weiter aktiv sein, so sollte er sich auf einen Gebührenstopp, weniger Staatsausgaben, Ende der Gießkannenhilfen und Augenmaß bei Beamtenlohnrunden konzentrieren", so Lorentz.
Inflationsprognose angehoben, schwächeres Wachstum
Wie die Notenbank weiter mitteilte, rechnet sie heuer im Schnitt mit einer Inflationsrate von 5,4 Prozent. In ihrer März-Prognose war die EZB von 5,3 Prozent ausgegangen. Für 2024 sagt sie eine Teuerungsrate von 3,0 Prozent (März-Prognose 2,9 Prozent) voraus. Für 2025 wird eine Rate von 2,2 Prozent (2,1 Prozent) erwartet. Die Notenbank strebt für den Währungsraum mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an.
Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 0,9 Prozent wachsen und damit etwas schwächer als die im März noch vorhergesagten 1,0 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,5 (1,6) Prozent zulegen. Für 2025 wird ein gegenüber der März-Projektion unveränderter Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent erwartet.