Es ist die größte Insolvenz der letzten zehn Jahre in Österreich laut dem Alpenländischen Kreditorenverband (AKV): Am Dienstag wurde am Landesgericht St. Pölten über die insolvente Möbelhandelskette Kika/Leiner ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der St. Pöltener Rechtsanwalt Volker Leitner bestellt. Die betroffenen Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 08. August bei Gericht anmelden. Die Möbelhandelskette bietet den von der Insolvenz betroffenen Gläubigern eine Sanierungsquote von 20 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplans an. "Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können", so Brigitte Dostal vom KSV1870.
Die Verbindlichkeiten werden mit 132 Millionen Euro beziffert, wobei neben der Republik Lieferanten und Dienstnehmer die Gläubiger sind. "Da können weitere 70 Millionen Euro Anzahlungen und Gutscheine dazu kommen", sagt Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz im KSV1870. Laut Insolvenzantrag betrifft die Pleite 3300 Mitarbeiter.
Die operativen Kika/Leiner-Gesellschaften zahlten in den vergangenen Jahren Mieten in Millionenhöhe an eigene Immobiliengesellschaften, welche die Standorte besaßen. "Was hier passiert, ist ein Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie Beschäftigten", kritisierte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einer Aussendung. Der gesamte Kika/Leiner-Deal müsse rückabgewickelt werden.
Als "unrealistisch" bezeichnet Götze eine mögliche Rückabwicklung. Dafür fehle die Grundlage. Eine Teilung von Gesellschaften in Immobilien und operatives Geschäft sei durchaus nicht unüblich. Im Fall von Kika/Leiner sei diese schon 2014 erfolgt, also Jahre vor der Übernahme durch René Benkos Signa. Zu prüfen sei hingegen, "ob die Mieten fremd üblich gewesen sind", meint Götze. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, könnte ein "Nachschuss" von der Signa gefordert werden. Ebenfalls zu prüfen sei der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, die Sanierungsmaßnahmen und die Zusammenführung von Kika und Leiner zu einem Unternehmen. "Aber ich bin gegen eine Vorverurteilung. Man darf nicht außer Acht lassen, dass die Signa ein defizitäres Unternehmen übernommen hat", betont Götze.
"Verzögerte Insolvenz?"
Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, will die Vorgänge rund um den Verkauf von Kika/Leiner sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen nun genau prüfen, wie er Montagabend in der ZiB 2 ankündigte. Die Ansprüche der Republik würden sich auf drei verschiedene Stellen aufteilen – die Steuerbehörden, der Insolvenz-Entgelt-Fonds sowie möglicherweise die Cofag, von der Kika/Leiner Coronahilfen bekommen hat. Die Insolvenz sei der "Startschuss für umfangreiche Prüfungen" – auch vonseiten der Abgabenbehörden. Peschorn geht davon aus, dass es hier eher zu Nachforderungen als zu Rückzahlungen kommen werde.
Aus Sicht von Peschorn ist zu hinterfragen, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. Als "auffällig" bezeichnete Peschorn die Verschmelzung der beiden Unternehmen Kika und Leiner. Das lasse "Vermutungen aufkommen, warum das passiert ist". Auf Nachfrage des ZiB-2-Moderators hin antwortete Peschorn: "Damit ein Unternehmen noch eine Bilanz erstellen kann."
Peschorn vermutet zudem, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietentgelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen. "Man muss sich anschauen, wie die Verrechnungspreise waren", so der Finanzprokurator-Chef. Peschorn betonte bei all dem aber, dass die Unschuldsvermutung gelte.
Kritik an Steuerstundung
Für Gerald Zmuegg, Leiter des Finanzombudsteams, zeigt indessen der Fall Kika/Leiner, dass die "Ausgestaltung der Covid-Hilfen eine Konkurswelle nicht verhindert, sondern nur aufgeschoben hat". Ende September 2021 beziffert der Finanzexperte die Höhe der gestundeten Verpflichtungen der Rudolf-Leiner-Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt mit 32,7 Millionen Euro. Zugleich habe die verfügbare Liquidität 76 Millionen Euro betragen. "Warum wäre eine Absage der Stundung mit erheblichen Härten verbunden gewesen", fragt Zmuegg.
Laut Insolvenzantrag schuldet Kika/Leiner der öffentlichen Hand rund 40 Millionen Euro an Abgaben und Beiträgen.