Apple tut für gewöhnlich alles, um den Nimbus der Einzigartigkeit zu konservieren. Großen Technologiemessen etwa meidet der Konzern wie der Teufel das Weihwasser, man wolle nur ja nicht als einer von vielen wahrgenommen werden. Bei eigenen Produktpräsentationen geht es deswegen auch nie um die Konkurrenz. Selbst, wenn diese omnipräsent ist. In dieser Woche durfte man diesem Schauspiel wieder einmal erste Reihe fußfrei beiwohnen.
Nach jahrelanger Vorbereitung und Millionen investierter US-Dollars präsentierte Apple mit der „Vision Pro“ die erste Datenbrille aus eigenem Haus. Diese, befindet ein Tester des US-Mediums The Verge, „sieht aus, fühlt sich an und verhält sich wie ein Virtual-Reality-Headset“. Einzig: Die Wörter „Virtual Reality (VR)“ oder „Headset“ sucht man in Apples Ausführungen vergeblich. Der IT-Krösus nennt die mit zwölf Kameras, fünf Sensoren und sechs Mikrofonen ausgestattete Brille lieber einen „spatial computer“, einen räumlichen Computer also. So halt, wie es zuvor noch niemand tat.
„Science Fiction wird Realität“
Auch wenn die 3500 Dollar teure Brille erst Anfang 2024 – und da vorerst nur in den USA und Großbritannien – zu kaufen sein wird, ist die Aufmerksamkeit riesig. Erste (Kurzzeit-)Tests geben der Technologie ein gutes Zeugnis. Die hochauflösenden Displays der Vision Pro – Apple stellt jedem Auge einen 4K-Bildschirm zur Verfügung – kommen hervorragend weg, auch gezeigte Anwendungen schneiden passabel ab. Selbiges gilt für die Steuerung per Augenbewegung oder Handgeste. Einzig am Kabel, das zum externen Akku führt, und an der niedrigen Batterielaufzeit von zwei Stunden stoßen sich manche der Trägerinnen und Träger. In Summe überwiegt aber der positive Eindruck. Man sei ein wenig, als würde „Science Fiction Realität werden“, fasst Heise-Journalist Malte Kirchner seine Gedanken zusammen.
Berichte, die nicht überall auf Wohlwollen stoßen. Und vor allem in Menlo Park Unbehagen auslösen – auch wenn das bei der Facebook-Mutter Meta so freilich niemand formuliert. Jedenfalls tut man dort alles, um von der Aufmerksamkeit rund um Apples Präsentation zu profitieren. Nur wenige Tage vor der groß angekündigten Veranstaltung in Cupertino kündigte Meta selbst eine neue, schlanke Datenbrille, die Quest 3, für den Herbst an.
Damit will der Konzern den Anspruch auf Dominanz klar unterstreichen. Aktuell soll Metas Anteil an einem – noch sehr kleinen – Markt laut IDC bei 80 Prozent liegen. Dahinter folgt mit zehn Prozent die asiatische Marke Pico, die dem Konzernreich der TikTok-Mutter Bytedance entspringt.
Kritische Töne von Zuckerberg
Entsprechend kritisch fällt die erste Bewertung der Vision Pro durch Meta-Boss Mark Zuckerberg aus. Das Headset sei lediglich „eine Vision der Zukunft der Computertechnologie“. Eine Vision zudem, die Zuckerberg selbst „nicht will“, wie er mit Blick auf Apples Präsentation feststellte, bei der eine bebrillte Person alleine auf der Couch saß. Zuckerberg wolle, dass Menschen durch derlei Technologie „auf neue Art und Weise interagieren und sich einander näher fühlen“. Ein voll funktionsfähiges Metaversum also.
„Du bist nie von den Menschen um dich isoliert“, kontert Apple und stellt den eigenen Ansatz als sozialer dar. Um etwa direkten Augenkontakt mit realen Personen trotz Vollvisiers zu ermöglichen, griff der Konzern tief in die technologische Schatzkiste und projiziert die Augen der Brillenträger optional auf den äußeren Bildschirm.
„Apple hat nichts Neues erfunden. Aber sie haben sich technologisch jedenfalls an den bestehenden Top-Geräten orientiert und diese wohl noch einmal getoppt“, erklären indes Thomas Kaufmann und Patrick Gröller, zwei von drei Gründern des steirischen Start-ups Exaron. Dieses macht Industriebetrieben Formen von erweiterten Realitäten schmackhaft. „Hardware bauen können heute viele, aber in der Kombination von Hard- und Software ist Meta am besten“, erklärt Kaufmann. Genau dieses Stärkefeld sei aber nun durch Apple in Gefahr, kann der Smartphone-Bauer doch auf eine besonders gereifte Software-Landschaft zurückgreifen.
Zweifelsohne wird der weltweit wertvollste Börsenkonzern dem Produktgenre Rückenwind geben. Was aus Sicht der Tech-Konzerne auch dringend nötig scheint. Die globalen Auslieferungen von AR- und VR- Headsets gingen 2022 im Vergleich zu 2021 um 20,9 Prozent auf 8,8 Millionen Einheiten zurück. Als Hemmschuhe nennt der Marktbeobachter IDC die begrenzte Anzahl von Anbietern, ein schwieriges makroökonomisches Umfeld und die fehlende Akzeptanz von Verbrauchern auf dem Massenmarkt.