Bei Kika/Leiner rollt eine Schließungswelle an, rund die Hälfte der Filialen und des Personals werden gekappt. An den betroffenen Standorten startete heute, Freitag, der Totalabverkauf. Per Ende Juli schließen etwa in Oberösterreich alle vier Leiner-Häuser sowie eine von drei Kika-Filialen. Regelrecht überrannt wurde das Möbelhaus in Steyr am Freitagvormittag. Schnäppchenjäger waren genauso unterwegs wie verunsicherte Kunden. Zu Mittag herrschte bereits Blockabfertigung beim Einlass. Ähnliche Szenen spielten sich im obersteirischen Judenburg ab. Berichtet wird dort ebenfalls von Blockabfertigung und Wartezeiten an Eingang und an Kassa von bis zu 45 Minuten.
Den Andrang verschärft haben dürfte der Wunsch, noch vorhandene Gutscheine zu verwerten. Wegen der angekündigten Insolvenzanmeldung hatte der Verein für Konsumenteninformation (VKI) Mitte der Woche geraten, Gutscheine rasch einzulösen. Kika/Leiner wiederum verspricht, dass alle Bons ihre Gültigkeit behalten. Möglich werden soll das, weil der neue Eigentümer, Hermann Wieser, über seine Gesellschaften die Haftung dafür übernehme, sagte ein Kika/Leiner-Sprecher am Freitag zur APA. Denn im Rahmen der Insolvenzmasse dürfen Gutscheine nicht bessergestellt werden als andere Forderungen, wie Anwalt Michael Poduschka im Gespräch mit der APA erinnerte.
Tatsächlich stauten sich etwa in Steyr bereits gut eine Stunde nach Geschäftsöffnung die Autos Richtung Leiner. Der Kundenparkplatz war hoffnungslos überfüllt und im Haus selber schlängelten sich Menschen Richtung Kasse. Die Verkäuferin aus der Bettenabteilung erklärte, dass derzeit die Wartezeit an den Kassen rund 1,5 Stunden betrage. Für einige Grund genug, wieder kehrtzumachen. Viele, die noch einen Gutschein einzulösen hatten, blieben jedoch.
"Es sind mehr Kunden als erlaubt da"
Um 11.30 Uhr wurde dann der Leiner wegen Überfüllung geschlossen. "Es sind mehr Kunden als erlaubt im Geschäft", bat eine Mitarbeiterin bei einem APA-Lokalaugenschein um Verständnis, dass in den kommenden 30 Minuten niemand ins Haus gelassen werde und Blockabfertigung gelte.
Eine Verkäuferin in der Küchenabteilung versicherte ratsuchenden Kunden, dass alle bereits bestellten Waren ausgeliefert werden. Auf lagernde oder Ausstellungsstücke gebe es aktuell 30 Prozent Preisnachlass. Auch wenn sie von der Zentrale erfahren habe, dass Gutscheine in anderen Leiner-Filialen, die bestehen bleiben sollen, eingelöst werden könnten, riet sie einem Ehepaar, ihre dennoch jetzt zu verwerten. Denn in Oberösterreich bleibe ja kein Haus offen.
Die freundliche Verkäuferin ist eine von 263 Betroffenen in Oberösterreich, die ihre Stelle verlieren wird. Zeit, sich über ihre berufliche Zukunft Gedanken zu machen, habe sie noch nicht gehabt. Eines der zahlreichen Jobangebote von Lebensmittelhändlern denke sie nicht anzunehmen, sie wolle eher in einem Küchenstudio arbeiten.
Einen Kundenandrang, wie er wohl seit der Eröffnung Mitte der 1990er-Jahre kaum jemals vorgekommen war, erlebte am Freitagvormittag auch die von der Schließung betroffene Kika-Filiale in Horn. Bereits bei der Anfahrt kämpften sich zahllose Schnäppchenjäger mit ihren Autos durch den Stau. Wie ein Magnet schien der von Weitem sichtbar plakatierte Schlussverkauf mit Rabatten von bis zu minus 77 Prozent zu wirken.
"Die stehen bis hinten"
Wer einen der wenigen Parkplätze ergattert hatte, erblickte im Inneren des Geschäfts Menschentrauben und lange Schlangen bei den Kassen. "Bist du g'scheit, die stehen bis hinten", sagte ein älterer Herr angesichts dieser Szenerie recht treffend zu Bekannten.
In der Horner Kika-Filiale sind insgesamt mehr als 40 Personen beschäftigt. Jene, die am "Fenstertag-Freitag" Dienst hatten, wurden mit allerlei Kundenanfragen regelrecht bombardiert. Viel diskutiert wurde das Thema Gutschein-Einlösung. Einigen Angebotsjägern ging die Produktpalette auch nicht weit genug, wie die – letztlich klar verneinte – dringliche Frage eines Mannes nach der Verfügbarkeit von Waschmaschinen im Markt zeigte. Als besonders stark frequentiert erwies sich die Abteilung für Gartenmöbel.
Am Dienstag Neo-Eigentümer Wieser angekündigt, 23 von österreichweit 40 Standorten per Ende Juli zu schließen und 1900 von 3900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen. Konkret sollen den Unternehmensangaben zufolge die Leiner-Standorte in Judenburg, Wels, Linz, Steyr, Amstetten, Vöcklabruck, Villach und Wien-Nord sowie die Kika-Standorte in Lienz, Mistelbach, Liezen, Ried, Feldbach, Leoben, Saalfelden, Horn, Unterwart, St. Johann, Wörgl, Stockerau, Imst, Eisenstadt und Wien-Ottakring schließen. An diesen Standorten beginnt ab sofort der Abverkauf mit Preisreduktionen.