Video-Umfrage zum Thema:

Soll eine eigene vegane und vegetarische Kochlehre ab sofort in Österreich eingeführt werden?

PRO: "Worauf warten?" Der Küchenchef Paul Ivic spricht sich für eine eigene vegane Kochlehre aus. Sie wäre eine Chance, einen gesellschaftlichen Wandel auf geschmackvolle Art und Weise anzustoßen, so Ivic.

Meiner Meinung nach „Ja“. Es ist an der Zeit, die Ausbildung zu modernisieren und sich an den Wünschen der Jugendlichen zu orientieren. In der Gastronomie jammern wir schon lange über einen Fachkräftemangel und jetzt haben wir die Möglichkeit, eine riesengroße Chance, etwas Innovatives zu leisten und mit einer vegetarischen-veganen Küche die Jugend anzusprechen. Die Nachfrage ist da und genau dieses Interesse sollten wir nützen.

Ich selbst bin mittlerweile für die Einführung einer vegetarisch-veganen Kochausbildung, da wir damit eine breitere Zielgruppe ansprechen können. Wichtig ist es mir aufzuzeigen, wie sinnstiftend und umfangreich dieser Beruf ist. Es geht nicht nur um die Freude, welche man Menschen mit gutem Essen bereiten kann, sondern auch um die gesellschaftliche Veränderung, die man in diesem Beruf mitträgt.

Ein wachsendes Bewusstsein über Biodiversität, von der eine ausgeprägte Gemüseküche abhängig ist, trägt auch systematisch zur Verbesserung des Klimas bei. Durch den Fokus auf eine gesunde Bodenkultur mit regenerativer Kreislaufwirtschaft erhalten wir die so wichtige Biodiversität am Leben. Es geht in einer vegetarisch-veganen Lehre nicht nur um Gerichte, sondern auch um das Wissen über einen gesunden Boden und die Sortenvielfalt, die die vegetarisch-vegane Küche zu bieten hat.

Generell würden viele der Gastronominnen und Gastronomen eine Modernisierung des Lehrplans unterstützen und begrüßen. Die Mitglieder vom Koch.Campus stehen bereit. Jeder Schritt in Richtung einer umfangreicheren Ausbildung ist zu begrüßen. Wir sollten nur nicht so vermessen sein, Jugendliche, die aus welchen Gründen auch immer nicht mit Fleisch arbeiten möchten, zu ignorieren und damit für immer zu verlieren. Vielleicht würde diese Ausbildung den Beruf auch für junge Frauen in einer von Männern dominierten Branche attraktiver machen.
Ich schlage vor, mit einem Pilotprojekt zu starten. Ich kann mir eine vegetarisch-vegane Grundausbildung mit anschließender Option einer Zusatzausbildung mit Fleisch und Fisch gut vorstellen. Denken wir doch einmal daran, welche Vorreiterrolle wir international damit hätten. In zehn Jahren hätten wir durch diese progressive Maßnahme die gefragtesten Köchinnen und Köche im vegetarisch-veganen Bereich. Eine gute Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Wandel auf geschmackvolle Art und Weise anzustoßen: Klimawandel, Biodiversität, Gleichberechtigung und unsere Gäste werden es uns danken.

Wir können aufzeigen, welch innovatives Tourismusland wir sind und in die Zukunft schauen. Vegetarisch-vegan ist einfach Teil dieser Zukunft. Diese Zukunft können wir jetzt mitgestalten. Worauf also warten?

KONTRA: Klaus Friedl, Gastro-Unternehmer und stellvertretender Fachverbandsobmann in der WKO betont: Die Branche sei zwar prinzipiell offen für neue Ideen, für eine sofortige Umsetzung fehlen aber noch konkrete Inhalte.

Als Branche setzen wir uns für eine qualitativ hochstehende Ausbildung und auch für die ständige Weiterentwicklung dieses international anerkannten Lehrberufes ein. Wir sind prinzipiell offen für neue Ideen, allerdings fehlen zum jetzigen Zeitpunkt noch konkrete Inhalte, die für die Schaffung eines solchen Lehrberufes notwendig wären: Berufsbild für drei Jahre, Ausbildungsordnung, Anzahl der Lehrlinge, Lehrplan, Lehrbücher, Prüfungsordnung, Organisation eines entsprechenden Berufsschullehrgangs bzw. die Einbindung und Zustimmung der Sozialpartner. Eine wesentliche Frage wird auch sein, welche Betriebe diese Ausbildung übernehmen dürfen und ob es genug fachlich geschulte Ausbildungspersonen gibt.

Blickt man in der Geschichte des Kochens zurück, so ist diese von mannigfaltigen Veränderungen geprägt. Früher waren die Gerichte üppig zubereitet, um einerseits den Wohlstand der gehobenen Klasse zu vermitteln, anderseits aber die ärmere, hart arbeitende Bevölkerung lange satt zu machen. Mit zunehmender Industrialisierung und immer weniger an körperlich arbeitenden Menschen, wurden speziell in den Wohlstandsregionen der Welt die Gerichte immer „leichter“ zubereitet, unterschiedliche Ernährungstrends breiteten sich aus. Mittlerweile gibt es mehr als 20 verschiedene Ernährungsformen – darunter natürlich auch die vegetarische bzw. vegane. Mit diesen Entwicklungen über Jahrhunderte hinweg änderte sich natürlich auch der Beruf der Köchin bzw. des Kochs ständig und damit auch die Ausbildung.

Wichtig ist, dass die Ausbildungsinhalte möglichst umfassend angelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass künftige Fachkräfte nicht auf eine Nische beschränkt werden, sondern in ihrer Ausbildung alle notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt bekommen, die am Arbeitsmarkt nachgefragt werden.

Bereits jetzt gibt es ein breit gefächertes Angebot an Zusatzausbildungen für Köchinnen und Köche im Bereich der veganen/vegetarischen Speisenzubereitung. Auch im Lehrplan der bestehenden dualen Ausbildung sind verschiedene Ernährungsformen enthalten. Viele Köche gehen nach der Lehre auf Wanderschaft, um Erfahrungen zu sammeln und danach die Küchenmeisterprüfung zu machen.
Festzuhalten ist, dass es nur eine Ausbildung zur Köchin/zum Koch gibt, jede weitere Lehre oder Ausbildung müsste einen anderen Namen haben. Wie beispielsweise der Lehrberuf der Systemgastronomen.

Die Branche wird in den nächsten Jahren noch viele Veränderungen durchlaufen, wie etwa die Einführung der künstlichen Intelligenz im Küchenbereich und im Service. Aber es werden immer diejenigen sein, die das Handwerk von der Pike auf gelernt und praktiziert haben, die Trends vorgeben und Erfolg haben.