Bei Andritz-Manager Michael Waupotitsch laufen viele Fäden zusammen. Fast buchstäblich, denn er koordiniert die weltweiten Aktivitäten des Grazer Anlagenbauers zum großen Zukunftsthema Textil-Recycling. Das Feld ist groß. Die Versuchsanlage in St. Michael bei Leoben ist dagegen klein, aber wichtig. Wenn hier ein neues Leben für alte Hosen beginnen soll, dann gehen die erst einmal in die Shredder. Und zwar in besondere, die spezialisiert sind, Störstoffe wie Zipper, Nieten oder Knöpfe zu entfernen und dann beim Zerstückeln der Stoffe die Fasern möglichst lang zu lassen.

Es wäre nicht Andritz, würde sich der Konzern auf kleinteiliges Stückwerk einlassen. Auch chemisches Recycling, das Ausnutzen der Andritz-Kompetenz in der Fasertechnik aus der Sparte Pulp and Paper (Papier und Zellstoff), das Aufspalten von Mischgeweben, das alles wird gefragt sein. „Damit beschäftigen wir uns auf einige Standorte verteilt weltweit“, erklärt Waupotitsch. Der Konzern will die verschiedenen Verwertungswege beherrschen. Waupotitsch: „One size fits all wird es nicht spielen, wir sind auf allen Schienen unterwegs.“

© Andritz

Weniger als ein Prozent der weltweit produzierten Kleidung wird recycelt. Zwar haben die großen Ketten wie H&M oder auch Tchibo schon vieles mit Recycling-Fasern im Programm. Bei Polyester ist die Wahrscheinlichkeit aber noch hoch, dass die neue Bluse eine Plastikflasche war. Auf der Basis von Zellulosefasern beschäftigt sich der oberösterreichische Lenzing-Konzern intensiv damit, wie man Qualitäten hinbekommt, dass sie gleich gut wie die frischen sind.

Tatsächlich verschwindet gigantisch viel ausgemusterte Kleidung auf Deponien oder in Müllverbrennungen. Aus Sicht des Leobener Montanuni-Professors Roland Pomberger wäre die energetische Verwertung auch von Textilabfällen in der Industrie gut. Er arbeitet an einer ISO-Norm für den Einsatz von Ersatzbrennstoffen – zu denen gehören auch nicht verwertbare Textilreste. Über die ISO-Norm soll erreicht werden, dass die gezielte EBS-Verwendung in industriellen Prozessen bei Recycling-Quoten angerechnet werden kann. Laut EU soll Kleidung ab 2024 jedenfalls nicht mehr so einfach wie bisher verbrannt werden dürfen.

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Ein paar Jahre werden für Textil-Recyclinglösungen noch ins Land gehen, sagt Saubermacher-Gründer Hans Roth. „Das werden wir nicht in drei Jahren haben.“ Aber die großen Modeketten seien bereits Treiber und stellten sich neu auf. Heruntergebrochen auf Österreich sei eine wichtige Voraussetzung, „dass alle in Österreich gemeinsam sammeln müssten“. Saubermacher gilt als einer der prädestinierten Partner für Recycling-Netzwerke aller Art. „Ohne Partner geht beim Recycling nichts“ – ein Satz, der von Topmanagern, die sich mit industriellen Rohstoffkreisläufen beschäftigen, oft fast wortgleich gesagt wird.

"Einer allein kann da gar nix"

Axel Kühner ist Chef der ebenfalls global tätigen Greiner-Gruppe aus Kremsmünster. Der oberösterreichische Kunststoffhersteller produziert Kunststoffe fast aller Art, etwa auf dem Hauskompost verrottbare Kaffeekapseln aus Polymeren, die durch Mikroorganismen zersetzt werden, aber auch Matratzen aus Schaumstoff. Bis 2030 will Greiner umfassend Kreislaufwirtschaft leben, dafür braucht es viele Lösungen.

Kühner will die Lösung für chemisches Matratzenrecycling in fünf Jahren haben. Realisiert werden soll sie über eine Partnerschaft mit BASF und Neveon. Beim Start-up MATR, spezialisiert auf die mechanische Variante, schaut Kühner genauso, „was funktioniert und was nicht“. Kühner: „Tatsächlich ist Matratzenrecycling Großindustrie.“ Eine Anlage in sinnvoller Größe koste wohl eine Milliarde Euro. Deshalb plane man keine eigene, sondern vernetze sich mit Partnern. „Einer allein kann da gar nix.“ Um gegen Ende des Jahrzehnts eine Anlage in Betrieb nehmen zu können, brauche es bald erste Entscheidungen.

Innovationen in der Auslage

Eine Großinvestition mindestens in beachtlicher dreistelliger Millionenhöhe steht mittelfristig bei der Österreich-Tochter des Zementherstellers Holcim an. Der in der Schweiz ansässige Global Player setzt gerade an ganz vielen Stellen zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes an – sogar mit der Großbestellung von bis zu 1000 Wasserstoff-betriebenen Volvo-Lkw für den Einsatz in Europa bis 2030.

© Greiner Packaging

Entscheidender sind aber die steten Dekarbonisierungsschritte in der naturgemäß extrem CO2-lastigen Zementproduktion.
Holcim ist Schrittmacher, denn der Schweizer Konzern mit 30 Milliarden Euro Umsatz aus Werken in 70 Ländern ist der weltgrößte Zementhersteller, der laut Konzernchef Jan Jenisch auch größter Recycler werden will. Jenisch stellte vor wenigen Tagen die Österreich-Tochter mit ihren Innovationen in die Auslage. Was hier geleistet werde, kopiere Holcim weltweit. So besteht ein gerade neu zugelassener Zement schon zu 25 Prozent aus Baurestmassen, genauer gemahlenem Beton und Ziegel. Im Brennprozess gelingt auch eine höhere CO₂-Einbindung in die Mineralstoffe selbst. Produziert wird der Zement im steirischen Retznei.

Der größte Hebel wird in der Zementindustrie die CO₂-Abscheidung sein. Jenisch legt diese Hebel dafür bereits um. Die Startprojekte sind in Deutschland und Polen, für 30 Fabriken weltweit gibt es schon Planungen, vor allem dort, wo der Transport von – bei rund minus 30 Grad – verflüssigtem Kohlendioxid einfach ist. In Österreich ist das bis jetzt noch kein Thema, weil es keine rechtlichen Grundlagen gibt. Für das Werk Mannersdorf käme grundsätzlich die OMV als ein CO₂-Abnehmer infrage. „Wenn wir hier eine Carbon-Capture-Anlage bauen, brauchen wir bis 2029 eine Lösung“, so Jenisch. Also für die anstehende Großinvestition. Dahinter steht die Hoffnung vieler Industrien: Kohlenstoff-Kreisläufe zu schaffen, in denen CO₂ Ware ist. Ein Anlagenbauer, der CO₂-Abscheidung kann, ist übrigens Andritz.

Weltmarktführer bei Katalysatoren-Recycling 

Die Kärntner Treibacher Industrie AG investiert mehr als 120 Millionen Euro in ihre neue Recycling-Anlage für Industriekatalysatoren. Diese granulatartigen Metalle binden zur Reinigung etwa von Erdöl andere Metalle an sich. Das Katalysatoren-Recycling ist bereits Kreislaufwirtschaft pur, es geht kaum Material verloren. „Wir sind da Weltmarktführer“, sagt Treibacher-Vorstand Rainer Schmidtmayer. Die neue Anlage ermöglicht eine Mengensteigerung von 20.000 Tonnen auf 24.400 Tonnen. Die Inbetriebnahme soll 2024 erfolgen. Vorstand Rene Haberl: „Die Abwärme wird über eine Turbine verstromt.“ 14 Prozent des Eigenbedarfs werde so gedeckt. Die aus dem Recycling – ein Schmelzprozess – gewonnenen Vanadium-, Nickel- oder Molybdänverbindungen sind gefragte Produkte. Bei passender Gelegenheit können sich die Vorstände vorstellen, ihre Führungsrolle im arabischen Raum weiter auszubauen.