Der designierte Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, empfiehlt angesichts der Teuerung, die Laufzeiten der Kollektivverträge von derzeit zwölf auf 24 Monate zu verlängern. Dabei "geht es nicht darum, Reallohnverluste einzufordern, sondern den Inflationsausgleich auf eine längere Phase zu strecken. Dadurch senkt man die Wahrscheinlichkeit einer Lohn-Preis-Spirale", argumentierte er im Interview mit dem "profil" (Freitag).
"Keine zielgenaue Maßnahme"
In Bezug auf eine mögliche Mehrwertsteuersenkung (MwSt.) auf Lebensmittel zur Bekämpfung der hohen Preise gibt sich Bonin skeptisch. "Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Kostenvorteile nicht an die Kunden weitergegeben werden, wenn ich nicht mit massiven Kontrollen in den Markt reingehe. Es ist außerdem keine zielgenaue Maßnahme", so der Wirtschaftswissenschaftler, der sein Amt als IHS-Chef im Juli antritt.
Generell mahnt der Ökonom hinsichtlich Markteingriffen zur Vorsicht, lehnt diese aber nicht kategorisch ab. "Wir müssen uns anschauen, wo ein Marktversagen vorliegt und ob das der Staat durch einen Eingriff besser machen kann. Die Antwort für oder gegen Markteingriffe kann von Fall zu Fall ja oder nein sein."
Gezielte Kompensationsmaßnahmen
Auch über die Indexierung könne man nachdenken. Denn eine automatische Anpassung der Tarife an den Verbraucherpreisindex bei Mieten, kommunalen Diensten und bei der Energierechnung sei für jemanden, der von außerhalb kommt, "ungewöhnlich". Man müsse beispielsweise in einer Krise nicht das Realeinkommen eines Vermieters absichern, der über mehr finanzielle Mittel verfüge und die Inflation anders zu spüren bekomme als ein Mieter, sagte Bonin zum "profil".
Aus Sicht des Ökonomen braucht es zur Bekämpfung der Folgen der Teuerung auch gezielte Kompensationsmechanismen für Menschen im unteren Einkommensbereich. Und: "Wir müssen die Mittel tatsächlich nur auf diese Gruppe beschränken. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass wir die Kosten der Inflation als Staat komplett abfedern können."
Luxusdiskussion um Viertagewoche
Die Debatte um eine Viertagewoche bezeichnete Bonin als "Luxusdiskussion". "Wenn wir über eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich sprechen, setzten wir voraus, dass die Produktivität in vier Tagen genauso hoch ist wie in fünf. Das gilt aber bei Weitem nicht für alle Berufe. Ein Koch kann nicht in vier Tagen genauso viele Essen kochen wie in fünf."
Kritik an Bonins Forderung zur Verlängerung der Kollektivvertragslaufzeiten kam vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). "Solche und ähnliche Interventionen sind völlig inakzeptabel. Die Verantwortung der Lohnverhandlungen liegt bekanntlich nicht bei den Wirtschaftsforschungsinstituten. Sie liegt in guter historischer Tradition ausschließlich bei den Sozialpartnern. Daher: Kollektivverträge dürfen nicht angerührt werden", sagte die ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth in einer Aussendung.