Wolfgang Katzian, Chef des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), ist zum Präsidenten des Europäischen Gewerkschaftsdachverbandes (European Trade Union Confederation, ETUC) gewählt worden. Bei dem Votum im Zuge des ETUC-Kongresses in Berlin erhielt Katzian 96,0 Prozent der Stimmen, wie am Freitag bekannt wurde. Andere Kandidaten gab es keine. Katzian folgt dem Franzosen Laurent Berger nach, der das Amt seit 2019 innehatte.
Der 66-jährige Gewerkschafter und SPÖ-Politiker ist nach Fritz Verzetnitsch der zweite ÖGB-Präsident, der auch im Europäischen Dachverband den Spitzenposten besetzt. Verzetnitsch war von 1993 bis 2003 ETUC-Präsident gewesen. Seit 2003 wurde die ETUC-Präsidentschaft nur mehr jeweils für eine einmalige, vierjährige Amtsperiode vergeben.
Im Zuge der regulären Erneuerung der ETUC-Führungsposten wurde unter anderem die seit 2022 amtierende Irin Esther Lynch als Generalsekretärin des Dachverbandes bestätigt. Insgesamt wurden sechs Posten im Generalsekretariat und acht Posten in der Präsidentschaft teils neu besetzt.
"Das ist eine große Ehre für mich", bedankte sich Katzian bei den Delegierten, "ich werde diese Chance mit ganzem Herzen, viel Engagement und voller Kraft nutzen, um die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Europa mitzugestalten." Die Arbeitsschwerpunkte für die kommenden vier Jahre, die von den rund 500 Delegierten am EGB-Kongress im "Berliner Manifest" beschlossen wurden: wirksame Maßnahmen gegen die Inflation, die Senkung der Lohnkosten und ein stärkeres Mitspracherecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Ausweitung der Kollektivverträge als Ziel
In seiner neuen Funktion will sich der "glühende Europäer" Katzian vor allem für die Vier-Tage-Woche und für eine Ausweitung der Kollektivverträge (KV) in den europäischen Ländern einsetzen. Denn die Einkommenssituation für die Menschen stehe überall im Mittelpunkt. So gebe es in Deutschland eine KV-Abdeckung von 50 Prozent, in Estland seien es gar nur sechs Prozent, während es in Österreich 98 Prozent seien, sagte Katzian im Ö1-"Morgenjournal". Das müsse auf europäischer Ebene erst erkämpft werden. Katzians Ziel: Europaweit über 80 Prozent.
Ohne Wenn und Aber spricht sich der neue ETUC-Chef auch für die Einführung einer Vier-Tage-Woche in ganz Europa aus. Dafür bedürfe es aber in den einzelnen Ländern Gesetze, eine generelle europäische Regelung werde es hier nur schwer geben. Katzian wünscht sich aber zumindest gesetzliche Rahmenbedingungen und die Einbettung der Arbeitszeitgestaltung in Kollektivverträge.
Plädoyer für Vier-Tage-Woche
Die Vier-Tage-Woche sei jedenfalls möglich. Das heiße ja nicht, dass "alle vier Tage arbeiten und alle drei Tage zur gleichen Zeit nicht da sind". Vielmehr würden sich die Bedürfnisse und Wünsche der Beschäftigten mit den Möglichkeiten des Betriebs vermischen. Ein "spannender Prozess", wie Katzian meint. Er verweist darauf, dass viele Betriebe die Vier-Tage-Woche bereits testen und einige diese sogar schon ins Regelsystem übernommen haben – nicht nur in Österreich.
Der ETUC gehören 93 Gewerkschaftsbünde aus 41 europäischen Ländern sowie zehn europaweite Gewerkschaftsverbände an. Der Verband feiert heuer seinen 50. Geburtstag.