Bei E10 wird dem fossilen Benzin zu 10 Prozent aus Agrarprodukten und Bio-Abfallprodukten hergestelltes Bioethanol beigemischt. Hintergrund für die schrittweise Einführung ist die Novelle der Kraftstoffverordnung, die seit Anfang 2023 in Kraft ist. "E10 ist an fast allen österreichischen Tankstellen verfügbar", sagte die Geschäftsführerin des WKÖ-Fachverbands der Mineralölindustrie (FVMI), Hedwig Doloszeski, am Mittwoch zur APA. Die großen Tankstellenketten, unter anderem Avanti, BP und OMV, haben im April von E5 auf E10 umgestellt. Die OMV arbeitet bei der Beschaffung von Bioethanol mit österreichischen, europäischen und internationalen Partnern zusammen. Klassisches Superbenzin ist aber weiterhin verfügbar.
Regierungsprogramm
Die Erhöhung der Bioethanol-Beimischung bei Benzin von 5 auf 10 Prozent ist auch im Regierungsprogramm 2020-2024 der türkis-grünen Bundesregierung verankert. Die Novelle der Kraftstoffverordnung schreibt E10 zwar nicht direkt vor, allerdings verpflichtet das Gesetz die Tankstellenbetreiber, die dadurch verursachten Treibhausgasemissionen schrittweise zu senken. Da mit der Novelle zudem andere Reduktionsmöglichkeiten teilweise nicht mehr angerechnet werden können, blieb den Tankstellen als Alternative fast nur die Einführung von E10.
Zukunft gehört Elektromobilität
Der beigemischte Bioethanol-Anteil gilt als klimaneutral, da das freigesetzte CO₂ zuvor beim Wachsen der Pflanzen aus der Luft gebunden wurde. "E10 wird einen Beitrag zur Reduktion von Emissionen leisten - weil dadurch eine rasche Reduktion von Emissionen im Autobestand erzielt werden kann", hieß es vom Verkehrs- und Umweltministerium zur APA. Das tatsächliche Ausmaß hänge jedoch von der Menge an verwendeten E10 und von der Geschwindigkeit des Umstiegs auf E-Autos ab. "Beim Auto gehört die Zukunft der Elektromobilität", betonte das Ministerium.
"Energiepflanzen" statt Lebensmittel
Umweltschutzorganisationen haben stets den Einsatz von E10 kritisiert und darauf hingewiesen, dass "Energiepflanzen" für die Bioethanolproduktion weltweit immer mehr Anbauflächen für Lebensmittel verdrängen. "Essen gehört auf unsere Teller und nicht in den Tank", so Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace Österreich. Statt "Biosprit" brauche man eine nachhaltige Verkehrswende in Österreich und Europa, unter anderem mit einem beschleunigten Ausbau des Angebots von öffentlichem Verkehr und einer deutlichen Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und des Flugverkehrs.
Für 98,3 Prozent der Autos
Die österreichischen Verkehrsklubs ARBÖ und ÖAMTC befürworten die Einführung von E10. Laut einer ÖAMTC-Auswertung der Bestandsfahrzeuge Anfang 2023 – ohne Fahrzeuge mit einer Erstzulassung vor mindestens 30 Jahren – vertragen 98,3 Prozent der Benzin-Pkw in Österreich den 10-prozentigen Bioethanolanteil. Branchen- und Interessensvertreter haben auch eine Informationsplattform ins Leben gerufen. Neben Österreich ist E10 in Europa in 15 EU-Ländern (u. a. Deutschland, Frankreich) und in Großbritannien verfügbar.
Im Vorfeld der E10-Einführung war über höhere Preise für Superbenzin spekuliert worden. "Erfahrungsgemäß kann eine höhere Nachfrage nach Ethanol als Folge der E10-Einführung zu einem Preisanstieg am Markt führen", hieß es von der OMV auf APA-Anfrage. Der Branchenverband beruhigt aber. "Die Preise orientieren sich an der E10-Notierung, die nur geringfügig höher liegt als die E5-Notierung", sagte die Geschäftsführerin des Mineralöl-Fachverbands. "Zu beachten ist allerdings, dass für die Bildung der Tankstellenpreise mehrere verschiedene Faktoren ausschlaggebend sind, insbesondere auch Angebot und Nachfrage."
Bioethanol aus Österreich
Österreich kann seinen Bioethanol-Bedarf selbst decken. Der heimische Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana betreibt seit 2008 in Pischelsdorf (NÖ) eine große Bioethanolanlage und stellt aus dem Stärkeanteil von Futtergetreide (Mais, Weizen) Ethanol her, mit dem Eiweißanteil wird Eiweißfutter produziert. "Beim Einsatz von biogenen Kraftstoffen gilt es immer zu berücksichtigen, dass nicht für die Lebensmittelversorgung benötigte landwirtschaftliche Fläche genutzt werden", erklärte das Umwelt- und Verkehrsministerium.
Aus diesem Grund sei es sinnvoll, Abfallprodukte aus anderen Prozessen für die Herstellung der Kraftstoffe zu nutzen. "In Österreich tut das etwa das Unternehmen Agrana, die schon seit Jahren Bioethanol aus Abfallstoffen erzeugt", so das Ministerium. Die dort produzierten Mengen seien jedenfalls für den Einsatz von E10 in Österreich ausreichend und es müssten keine zusätzlichen Rohstoffe verarbeitet werden.
Aus Bioabfallprodukten
Seit Ende 2020 wird auch Bioethanol aus Holzzucker in der Zellstofffabrik von Austrocel in Hallein (Salzburg) gewonnen. Hierbei handelt es sich um Bioethanol aus der sogenannten "Zweiten Generation", also Ethanol, das aus Bioabfallprodukten erzeugt wird. Von der "Ersten Generation" ist die Rede, wenn für die Produktion ausschließlich Stoffe gebraucht werden, die auch in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen.