Im Betrugsprozess um den Abgasskandal bei Audi hat der frühere Vorstandschef Rupert Stadler ein Geständnis abgelegt. Mehr als siebeneinhalb Jahre nach dem Auffliegen der Manipulationen im Volkswagen-Konzern und wenige Wochen vor dem erwarteten Urteil des Landgerichts München räumte Stadler am Dienstag eine Mitverantwortung ein.
Der Vorsitzende Richter Stefan Weickert hatte dem 60-Jährigen im Gegenzug eine Bewährungsstrafe zugesichert. Außerdem soll Stadler eine Geldauflage von 1,1 Millionen Euro zahlen. Das Urteil in dem seit mehr als zweieinhalb Jahren andauernden Prozess ist im Juni geplant. Die Staatsanwaltschaft hat der vom Gericht vorgeschlagenen Absprache bereits zugestimmt. Stadler hatte sein Geständnis Anfang Mai zwar angekündigt, sich allerdings noch Vorbereitungszeit ausbedungen. Nun machte er seine Ankündigung wahr.
Stadler ließ das Geständnis von seiner Verteidigerin Ulrike Thole-Groll verlesen. "Ich sehe für mich ein, dass es ein Mehr an erforderlicher Sorgfalt bedurft hätte", sagte die Anwältin in Stadlers Namen. Dass Fahrzeuge manipuliert worden seien und dadurch Käufer geschädigt worden seien, "habe ich zwar nicht gewusst, aber als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen." Das bedaure er sehr. Auf die Frage von Richter Weickert, ob er sich die Worte zu eigen mache, sagte Stadler lediglich: "Ja."
Seit 2020 vor Gericht
Der Prozess ist eines der prominentesten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung des Dieselskandals im Volkswagen-Konzern. Stadler ist der erste Volkswagen-Konzernvorstand, der eine strafrechtliche Verantwortung gestanden hat. Der Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte war im September 2015 aufgeflogen. Seit September 2020 steht Stadler vor Gericht, zusammen mit dem ehemaligen Audi-Motorenchef und Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz und einem Ingenieur. Stadlers Mitangeklagte haben gestanden, Motoren manipuliert zu haben. Damit wurden laut Anklage gesetzliche Abgaswerte zwar auf dem Prüfstand, aber nicht auf der Straße eingehalten. Stadler soll es nach dem Auffliegen des Skandals versäumt haben, den Verkauf der manipulierten Autos zu stoppen. Er kam 2018 einige Monate in Untersuchungshaft und musste damals als Audi-Chef und Volkswagen-Konzernvorstand abtreten.
Ende März hatte Richter Weickert erklärt, dass er wesentliche Teile der Anklage als so gut wie erwiesen ansehe. Er drohte deswegen allen drei Angeklagten mit Freiheitsstrafen von eineinhalb bis zwei Jahren, die bei Geständnissen aber zur Bewährung ausgesetzt würden. Bei Stadler und dem Ingenieur stimmte die Staatsanwaltschaft einem solchen Deal zu. Bei Hatz pochen die Ankläger hingegen auf eine Gefängnisstrafe. Allerdings ist das Gericht nicht an das Votum der Strafverfolger gebunden.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Stadler ab September 2015 in der Verantwortung gesehen, weil ihm zu diesem Zeitpunkt die Manipulationen klar geworden seien. Seit März geht das Gericht aber davon aus, dass dies erst zehn Monate später der Fall gewesen sei. Damit wäre Stadler erst für ab Juli 2016 verkaufte Autos verantwortlich. Zudem kommt es laut Gericht bei Stadler nicht mehr auf in ganz Europa vertriebene Fahrzeuge an, sondern nur noch auf diejenigen, die an deutsche Vertragshändler und an Leasinggesellschaften des Volkswagen-Konzerns gingen.
Poker um das Geständnis
Jahrelang bestritt Stadler die Anklagevorwürfe. Zuletzt pokerten seine Anwälte wochenlang mit Gericht und Staatsanwaltschaft um die Bedingungen eines Geständnisses und einer Bewährungsstrafe. In den vergangenen Tagen rangen die Verteidiger mit Weickert um den Geständnistext, wie der Richter am Dienstag mitteilte. Einen ersten Entwurf hatte Weickert nach eigenen Worten noch als "klärungsbedürftig" bezeichnet. Hart verhandelt wurde auch um die Geldauflage, die Stadler neben der Bewährungsstrafe zahlen soll. Schließlich einigten sich die Beteiligten, dass Stadler 1,1 Millionen an die Staatskasse oder an gemeinnützige Organisationen überweist. Details dazu wie auch zum genauen Strafmaß will das Gericht erst im Urteil festlegen.