Fair gehandelte Produkte sind in Österreich gefragter denn je. Zu diesem Schluss gelangt man nach der Lektüre der aktuellsten Zahlen von Fairtrade Österreich. 2022 wurde hierzulande mit Fairtrade-Produkten nämlich erstmals die Umsatz-Marke von einer halben Milliarde Euro übertroffen – und zwar deutlich. Die in Summe 592 Millionen Euro liegen zudem um mehr als 100 Millionen Euro über dem Jahr davor. Zum Vergleich: 2011 lag der gesamte Umsatz mit Fairtrade-Produkten in Österreich bei 100 Millionen Euro. Beim Pro-Kopf-Umsatz zählt Österreich damit heute zu den weltweit drei größten Fairtrade-Ländern.
Hauptverantwortlich für die rasante Entwicklung zeichnet ein "großes Wachstum im Kakaobereich", erklärt Fairtrade-Chef Hartwig Kirner. Tatsächlich lag das Plus in diesem Segment bei 22 Prozent – im Vergleich mit 2019 macht das Kakao-Plus gar 250 Prozent aus. Getrieben wird es einerseits von Handelskonzernen, die ihre Schoko-Eigenmarken sukzessive auf Fairtrade umstellen. Andererseits bauen große Verarbeiter wie Manner ihr "faires" Portfolio aus. Stark wachsend sind die Fairtrade-Verkäufe bei Kaffee. Dieser Bereich hat seit 2019 um 115 Prozent zugelegt.
Eine Kehrseite der Umsatzmedaille: Bei den Produzenten kommt nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der hundert zusätzlichen Millionen aus dem letzten Jahr an. Sorgten die 2021 in Österreich erzielten Fairtrade-Umsätze für 69,5 Millionen US-Dollar an Direktzahlungen, lag die Summe 2022 – trotz des großen Umsatzplus – nur um 3,3 Millionen höher. Hartwig Kirner führt die Diskrepanz etwa darauf zurück, dass bei einer Schokolade nicht nur fair gehandelte Kakaobohnen verarbeitet werden, sondern auch andere Produkte wie Milch und Zucker. Die Direktzahlung, also der Geldfluss in die Produzentenländer, sei für ihn jedenfalls die "wirklich wichtige Zahl", sagt Kirner.
Viel Potenzial bei Kaffee und Kakao
Dieser ortet 30 Jahre nach der Gründung von Fairtrade Österreich trotz des Wachstums weiter Potenziale. Während der Marktanteil bei Bananen mit 28 Prozent und Rosen mit 37 Prozent vorerst ausgereizt scheint, sieht Kirner bei Kaffee (9 Prozent) und Tafelschokolade (9 Prozent) noch viel Spielraum. Preislich tut sich bei – den meist höherpreisigen – Fairtrade-Produkten übrigens zurzeit überraschend wenig. "Bei Kaffee und Schokolade schwimmen wir sogar gegen den Teuerungsstrom", befindet Kirner. Von 2021 auf 2022, so weist es das Marktforschungsunternehmen Nielsen aus, wurde etwa Fairtrade-Röstkaffee um 9,2 Prozent teurer, während Nicht-Fairtrade-Kaffee um 15,6 Prozent zulegte. Bei der Schokolade steht einem Fairtrade-Preisplus von 0,2 Prozent ein "konventionelles" Plus von 2,8 Prozent gegenüber.
Warum die Preise bei den Fairtrade-Produkten nicht so stark steigen? Kirner führt das auf zweierlei zurück. Einerseits würde die Teuerung bei günstigen Produkten prinzipiell stärker durchschlagen, weil dort Fixkosten wie jene für Verpackungen stärker ins Gewicht fallen. Andererseits seien bei konventionell produzierten die Düngemittel dominanter. Und diese hängen wiederum besonders eng an den Energiepreisen.
Diese sollen in Österreich bekanntermaßen ja bald orchestriert sinken. Und auch die Debatte um eine mögliche Eindämmung der gestiegenen Lebensmittelpreise nimmt im Land politisch weiter an Fahrt auf. Nach dem – kaum ertragreichen – Lebensmittelgipfel am Montag und dem überraschenden Regierungspaket am Mittwoch lädt heute Wirtschaftsminister Martin Kocher zu einem Treffen. Gemeinsam mit Abgesandten der Bundeswettbewerbsbehörde sowie einer Runde von Ökonomen sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie der Wettbewerb am Lebensmittelmarkt weiter angefacht werden kann. Thema ist die Teuerung heute auch im Nationalrat. Dort findet eine Sondersitzung zur Inflation statt.