In der ZiB 2 verteidigte Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer Mittwochabend die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung gegen die hohe Inflation in Österreich. Zu Beginn viel Selbstlob. Man habe es geschafft, dass die Kaufkraft in Österreich "deutlich gestiegen" sei, der Arbeitsmarkt sei stabilisiert worden, das Wirtschaftswachstum wurde nicht abgebremst.
Den von Ökonomen immer wieder geäußerten Vorwurf, die Regierung habe Milliarden Euro mittels Gießkanne verteilt, relativierte Nehammer. "Nur beim Anti-Teuerungsausgleich und beim Klimabonus" sei Geschwindigkeit vor Treffsicherheit gegangen. Zur Frage nach der Kritik von Fiskalrats-Vorsitzenden Christoph Badelt, die Regierung solle "bitte aufhören, das Geld hinauszuwerfen" antwortete Nehammer ausweichend. Es sei für ihn nicht akzeptabel, dass es Menschen in Österreich gebe, die keine warme Mahlzeit bekommen. Man habe "vieles" unternommen, um Armut zu bekämpfen. Die Armut sei heute nicht höher als 2016 unter SPÖ-Kanzler Christian Kern. In Österreich gebe es 200.000 offene Stellen. "Wenn Sie heute Arbeit suchen, haben Sie tatsächlich die Chance, eine zu finden", erklärte Nehammer.
Auf eine insistierende Nachfrage von ZiB-2-Moderator Armin Wolf sagte Nehammer Richtung Wolf, er wolle antworten. "Ansonsten können Sie mit sich selbst sprechen."
Nehammer in der ZiB 2 – das Video zum Nachsehen
"Argumentationsgrundlage fällt weg"
Nehammer zeigte sich im Interview überzeugt, wenn Österreich nun in die Stromkosten – Energiekosten seien die "Wurzel allen Übels" – eingreife, habe man eine Chance, die Teuerung zu dämpfen. Es gebe etwa für den Lebensmittelhandel dann keine Ausreden mehr: "Es wird die Argumentationsgrundlage wegfallen."
Warum Strompreise nicht direkt, etwa von der E-Control, festgesetzt werden, wie von Experten vorgeschlagen? Nehammer erklärte, solche Maßnahmen würden in Österreich keine Wirkung entfalten, "weil der billige Strom in der EU sofort weggekauft wird".
"Ab Juni Wirkung"
Wann denn die ersten Lebensmittelpreise aufgrund der Regierungsmaßnahmen – das Gesetz zur Gewinnabschöpfung soll im Juni in Kraft treten – sinken werden, fragte Wolf weiter. Nehammer: "Ab Juni müssen die Energiekonzerne die geringeren Preise weitergeben und ab da sollte es Wirkung zeigen." Mit den Energiepreisen wolle man einen Dominoeffekt auslösen. Wenn die Maßnahmen keine Wirkung zeigen, werde man "weitere Maßnahmen setzen, die den Menschen helfen".
Die immer wieder erhobene Forderung nach einer rückwirkenden Mietpreisbremse kritisierte Nehammer: "Das wäre eine Streckung des Verbraucherpreisindex für nur 400.000 Haushalte." Das habe man nicht gewollt, da Hunderttausende Haushalte nicht davon profitiert hätten, denn damit wäre "eine neue Ungerechtigkeit entstanden". Durch die Erhöhung der Mittel für die Bundesländer werde es gelingen, "eine Abfederung zu erreichen".
"Keine rettende Maßnahme"
Die von der SPÖ geforderte Senkung der Mehrwertsteuerung auf Lebensmittel sei "keine ideologische Frage. Man hat keine Garantie, dass die Preise wirklich fallen. Das ist allein keine rettende Maßnahme", erklärte Nehammer.
Zur Frage nach der erneuten Erhöhung der ÖBB-Ticketpreise im Juni sagte Nehammer, "diese Frage müssen Sie der Verkehrsministerin stellen. Ich bin nicht im Management der ÖBB". Viel wichtiger sei es, dass man Gemeinden, die ihre Gebühren nicht erhöhen, mit der Übergewinnsteuer gegenfinanzieren wolle.
"Habe keine Glaskugel"
Wann die Inflation in Österreich nicht mehr höher als jene im EU-Schnitt sein werde, fragte Wolf. "Das hängt von vielen Faktoren ab und wir haben keine Glaskugel", antwortete Nehammer. Was er sagen könne: "Wir werden immer darauf achten, dass kein Kind in Österreich hungert, wir die Wirtschaft entlasten können und Arbeitslosigkeit verhindern." Und man werde darauf achten, dass man nicht durch nationale Maßnahmen Inflationstreiber schaffe, erklärte Nehammer.
"Frage ist vermessen"
Zum Schluss kam es zu einem Schlagabtausch zwischen Wolf und Nehammer bei der Frage, ob es möglich sei, dass die ÖVP mit der FPÖ nach der nächsten Wahl – planmäßig im September 2024 – regieren werde. Nehammer antwortete ausweichend. Erst nach der Wahl sei zu beurteilen, wo es tragfähige Mehrheiten gebe. Kickl habe sich "selbst radikalisiert und befindet sich in seinen eigenen Verschwörungstheorien", so Nehammer.
Ob es denkbar sei, dass die ÖVP Kickl zum Kanzler macht? Das seien "Was-wäre-wenn-Spiele" und spekulativ, erklärte Nehammer. "Das ist ein bisschen billig", antwortete Wolf. Schließlich werde Nehammer bzw. die ÖVP darüber entscheiden. Nehammer blieb dabei, er halte die Frage, ob das denkbar sei, für "vermessen". Bis zur Wahl fließe noch viel Wasser die Donau hinunter.