Verbund-Chef Michael Strugl hält die Ankündigung der Regierung, die Gewinne der Energiekonzerne abzuschöpfen, wenn sie nicht bald ihre Preise senken, nicht für zielführend. "Die Gewinnabschöpfung, das haben wir im Vorjahr schon gesagt, wirkt nicht inflationsdämpfend", sagte Strugl. Besser wäre es, den Strompreis temporär vom Gaspreis zu entkoppeln, so der Präsident des Branchenverbandes Oesterreichs Energie. Würde man hingegen die Strompreise vom Gaspreis entkoppeln, seien die Strompreise niedriger und dann müssten auch die Versorger nicht zu höheren Preisen beschaffen und die höheren Preise an Kunden weitergeben.
"Kein großer Beitrag"
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) haben ein gemischtes Resümee über das angekündigte Antiteuerungspaket gezogen. Aus Sicht von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sind die angedachte Maßnahmen zwar richtig, fallen im Lichte zweistelliger Inflationsraten aber zu kurz aus. IHS-Direktor Klaus Neusser erwartet durch das Paket "keinen großen, aber einen nachhaltigen Beitrag" zur Inflationsdämpfung.
"Die Regierung ist nun schnell zu einer Einigung gekommen. Das ist positiv. Die Richtung passt; alle Maßnahmen sind für sich genommen jeweils richtig. Vor allem im Energiebereich sind gute Schritte enthalten", schrieb Felbermayr auf Twitter. Gleichzeitig meinte er auch: "Aber die Größe des Pakets erscheint angesichts fast zweistelliger Inflationsraten doch deutlich zu klein. Das wird nicht das letzte Paket gewesen sein, die Regierung muss weiter dranbleiben und weiter nachbessern."
"Länder und Gemeinden in die Pflicht nehmen"
Weiters hielt der Ökonom fest, dass die "versuchte" Gegenfinanzierung durch die Erhöhung der Übergewinnbesteuerung gut sei, aber kaum nachfragesenkend wirken werde. "Wichtig wäre, dass angesichts niedrigerer Spritpreise die Pendlerpauschale 'normalisiert' – noch besser: ökologisiert und sozial gestaffelt – wird", twittere der Wifo-Chef.
Unklar sei, wie der Gebührenstopp durchgesetzt werden solle. "Länder und Gemeinden müssen hier wirklich in die Pflicht genommen werden", betonte Felbermayr. Kritisch äußerte sich der Wirtschaftsforscher zu den Vorhaben im Lebensmittelhandel. Es sei unklar, wie mehr Transparenz die Preise senken solle.
Und auch im Sozialbereich müsse noch mehr passieren. Als Beispiel nannte Felbermayr die unterjährige Anpassung von Arbeitslosengeld oder die Inflationsindizierung von Einkommensgrenzen, ab denen ein Anspruch besteht.
Wirkung der Maßnahmen "schwer abschätzbar"
Neusser hob positiv hervor, dass keine nachfrageerhöhenden Elemente enthalten seien, wie dies etwa auf Direktzahlungen zutreffen würde. Mit der höheren Abschöpfung von Gewinnen bei Energieunternehmen werde jedenfalls Druck auf die Branche erzeugt, die sinkenden Großhandelspreise rasch an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben, sagte Neusser im Gespräch mit der APA. Durch die steigende Transparenz nehme man zudem den Lebensmittelhandel in die Pflicht.
Einen Effekt werden auch angedachte Maßnahmen wie der schnellere Wechsel der Energieversorger oder die Spenden für Sozialmärkte erzielen, glaubt Neusser. Nur einen verschwindend geringen Beitrag erwartet er sich allerdings von der Aussetzung der Gebührensteigerung im öffentlichen Bereich. Wie schnell und stark die Maßnahmen wirken werden, sei allgemein schwer abschätzbar, so der Ökonom.
"Kaum eine Wirkung"
"Die Hilflosigkeit der angekündigten Maßnahmen zeigt einmal mehr, wie wenig eine Regierung gegen die Inflation tun kann", sagt unterdessen Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge. Die Maßnahmen "werden aller Voraussicht nach kaum eine Wirkung auf die Preisentwicklung haben". Wolle die Regierung einen Betrag leisten, dann müsse sie "endlich bei der Förderpolitik vom Gas gehen, beispielsweise beim Energiekostenzuschuss oder auch bei der Pendlerpauschale". Es sei zu viel Geld im Umlauf, daher sollten Hilfen nur an Bedürftige gehen, so Kluge.
Sondersitzung des Nationalrats am Freitag
Die von der SPÖ verlangte Sondersitzung des Nationalrats zur Teuerungsproblematik findet übrigens am Freitag statt. Eröffnet wird die Sitzung um 9 Uhr, ab 12 Uhr erfolgt die Debatte über die zu erwartende Dringliche Anfrage bzw. den zu erwartenden Dringlichen Antrag mit dem Titel "Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung", teilte die Parlamentskorrespondenz mit.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilte via Twitter mit, er wolle "genau darauf schauen, dass diese rasch und wirkungsvoll umgesetzt werden". Jede und jeder müsse "den Zusammenhalt und die Solidarität von uns allen spüren und das auch im Geldbörserl sehen", erklärte Van der Bellen.
Mittwochfrüh hatte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried noch Druck gemacht und eine Blockade von ÖVP und Grünen gegen eine Sondersitzung noch diese Woche geortet. "Selber bringt die Regierung monatelang nichts zustande, um die Inflation zu bekämpfen, will aber offensichtlich auch nicht, dass der Nationalrat aktiv wird", so sein Protest. Die SPÖ hat auch einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung angekündigt – ein Instrument, zu dem auch die FPÖ greifen will.
"Show-Pressekonferenz"
Den Plan hielt Leichtfried auch nach dem Pressefoyer der Bundesregierung aufrecht, wo ein Paket gegen die Teuerung vorgelegt wurde. Es rege ihn "maßlos" auf, wenn er im Supermarkt mitbekomme, dass sich ein älteres Ehepaar keine Butter mehr leisten könne, aber diesen Menschen habe die Regierungspressekonferenz nicht geholfen, meinte Leichtfried vor Journalisten. "Es wird kein einziger Preis durch diese Pressekonferenz gesenkt", glaubt er. Schon der Lebensmittelgipfel Anfang der Woche sei erfolglos gewesen: "Dieser Gipfel war ein Flop, und diese Show-Pressekonferenz war der größere Flop", kritisierte Leichtfried. "Es war ein Schuldeingeständnis der österreichischen Bundesregierung, dass sie im Kampf gegen die Inflation wieder einmal vollkommen versagt hat."
Die angekündigte Verschärfung der Übergewinnsteuer für Energiekonzerne sei nichts anderes als ein Eingeständnis, dass die bisherige bloß ein "Übergewinnsteuerl" gewesen sei, und außerdem noch viel zu vage, findet Leichtfried. Die geplante Preistransparenz im Lebensmittelbereich bringe genau eines, nämlich: "Die Menschen werden besser zuschauen können, wie sie abgezockt werden." Bei der Sondersitzung will die SPÖ die Rücknahme der Richtwertmieterhöhung und ein Einfrieren der Mieten bis 2025 sowie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel beantragen.
"Staatliche Festlegung der Energiepreise"
Aus dem Burgenland kam der Ruf nach einer zeitlich begrenzten staatlichen Festlegung der Energiepreise durch die E-Control – wie vor der Liberalisierung. "Die Energiepreise könnten mit der Übergewinnabschöpfung sofort für die Kunden gesenkt werden. Damit haben die Kunden und die Energielieferanten Planungssicherheit während der Energiekrise", erklärte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Burgenland-Energie-Vorstandsvorsitzender Stephan Sharma erläuterte das Modell: "Sind die Beschaffungspreise für Strom und Gas der Energieunternehmen höher als die regulierten Energiepreise, werden die entstandenen Mehrkosten aus der Übergewinnabgabe der Energiekonzerne finanziert. Wenn die Beschaffungspreise niedriger sein sollten als die regulierten Preise, dann werden die entstandenen Gewinne zeitlich befristet, wie von der Regierung geplant, weiter abgeschöpft."
Die notleidende Bevölkerung werde von der schwarz-grünen Bundesregierung weiter im Stich gelassen, kommentierte FPÖ-Chef Herbert Kickl das Paket zur Bekämpfung der Teuerung. Keine der heute präsentierten Maßnahmen werde die finanzielle Situation der notleidenden Menschen in absehbarer Zeit verbessern. Die Androhung einer rigoroseren Übergewinnabschöpfung sei ein zahnloser Tiger.
"Nehmen Sie die Landeshauptleute in die Pflicht"
Die internationalen Energiepreise hätten sich seit einem Jahr von 500 auf 150 Euro pro Megawattstunde gedrittelt. Die Regierung verlange von den E-Konzernen nur eine Senkung der Preise für die Konsumenten um ein Drittel: "Finde den Fehler!" Gegen die hohen Lebensmittelpreise sowie Mieten, Bankgebühren usw. unternehme diese Regierung auch wieder nichts.
Die Neos sahen unterdessen sowohl die Landes- als auch die Bundespolitik in der Pflicht und sehen drei Ansatzpunkte, um die Inflation zu senken beziehungsweise die Kaufkraft der Bevölkerung zu erhöhen. Der erste Bereich seien die Landesenergieversorger, die sich laut Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker "hier bereichern". Für die Verbraucher gingen die Preise in die Höhe, gleichzeitig schrieben die Energieversorger 2022 enorme Gewinne. Die Landeshauptleute der einzelnen Bundesländer, die in unterschiedlicher Weise an den Versorgern beteiligt sind, könnten hier laut Neos über ihr Beteiligungsmanagement ansetzen und Druck auf die Preispolitik der Energiekonzerne machen, statt nur darauf zu warten, dass der Bund aktiv wird. Das wäre freilich mit Mindereinnahmen verbunden. "Nehmen Sie die Landeshauptleute in die Pflicht", rief Loacker am Mittwoch im Vorfeld eines Pressegesprächs auf.
Einkommen entlasten
Ein Bereich, wo die Bundesregierung sehr wohl eingreifen müsse, sei das Einkommen. "Die Menschen, die arbeiten, sind so zu entlasten, dass ihnen mehr von ihrem Geld bleibt", sagte Loacker. Nicht nur die Einkommensteuer, auch die Kapitalertragsteuer auf Sparguthaben gehört gesenkt. "Das wirkt auf die Preise auch entlastend." Und letztlich brauche es "eine gezielte Sozialpolitik, um die bedürftigen Haushalte zu entlasten", so der Wirtschaftssprecher.