Am Beginn, gegen 8.30 Uhr, dürfen die Kameras kurz TV-Bilder einsammeln. Knapp zwei Stunden später werden der Öffentlichkeit bereits Ergebnisse präsentiert. So lautete zumindest der Regieplan des heutigen "Lebensmittelgipfels" im Sozialministerium. Neben dem Initiator, Sozial- und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch, werden auch Vizekanzler Werner Kogler und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig teilnehmen. Dazu sind noch Abgesandte von Lebensmittelketten und aus der Landwirtschaft geladen. Selbiges gilt für Sozialpartner und Wirtschaftsforscher.

Bitterer Blick über die Landesgrenze

Anlass für die illustre Zusammenkunft bietet der Blick in die heimischen Supermarktregale. Während nämlich die März-Inflation in Österreich bei ohnehin schon sehr hohen 9,2 Prozent zu liegen kam, verteuerten sich Lebensmittel binnen eines Jahres um 14,5 Prozent. Und das, obwohl die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken schon im Durchschnitt 2022 um 10,7 Prozent über dem Jahr 2021 lag.

Schmerzlich ist zudem der Blick über die Landesgrenze. Seit 20 Jahren erhebt die EU durchschnittliche Preisniveaus in den Mitgliedsländern. Lagen Österreich und Deutschland am Beginn nahezu gleichauf, ging die Schere in den Folgejahren sukzessive auf. Kosteten Nahrungsmittel Mitte der 90er-Jahre in Deutschland um drei bis fünf Prozent weniger, lag der Abstand 2020 schon bei 20 Prozent. Zuletzt ging er immerhin wieder leicht zurück.

Shrinkflation

Zugleich verlautbarte der Verein für Konsumenteninformation (VKI), dass derzeit von vielen Lebensmittelproduzenten die Füllmengen der Packungen reduziert werden, obwohl der Preis bereits gestiegen ist. Knabbersnacks und Süßigkeiten werden als Beispiele ebenso genannt wie Streichfette, Nüsse oder Käse. Nur der Blick auf den Grundpreis bewahre Kunden vor heimlicher Preissteigerung, vor "Shrinkflation", wie VKI und Arbeiterkammer kritisieren.

Der Handel versucht sich indes in der Erklärungsrolle. Und betont beispielsweise, dass bei den Preisvergleichen mit anderen Ländern keine Rabatt-Aktionen berücksichtigt werden. Diese wiederum würden in Österreich häufiger stattfinden als in Deutschland. Außerdem gäbe es in Österreich eine andere Handelsstruktur. Mehr Filialen, höhere Lohnnebenkosten und wegen der heimischen Topografie eine teurere Logistik. Zudem würden internationale Markenkonzerne im kleineren Österreich höhere Einstandspreise verlangen als in Deutschland.

Und in Sachen Shrinkflation seien die "heimischen Lebensmittelhändler regelmäßig im Clinch mit den internationalen Produzenten", ließ Handelsverband-Chef Rainer Will die Kleine Zeitung vor Kurzem wissen. Nicht zuletzt steht die Branche seit vorigem Jahr unter besonderer Beobachtung der Wettbewerbsbehörde.

Preisdatenbank als gemeinsames Ziel?

Für den Sozialminister oder die Arbeiterkammer reichen all die Erklärungen indes nicht aus. Zuletzt erhöhte auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr den Druck. Gefordert werden primär Maßnahmen für eine "höhere Preistransparenz", wie es der Ökonom formuliert. Aber: Auch eine Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel werde am heutigen Lebensmittelgipfel "sicher diskutiert", heißt es von den Grünen. So, wie es Spanien bereits umsetzte. Dort wurde die Mehrwertsteuer für gewisse Nahrungsmittel wie Brot, Milch und Käse für ein halbes Jahr gestrichen. Bei Öl oder Nudeln wurde von zehn auf fünf Prozent reduziert. Auch Frankreich und Portugal gingen ähnliche Schritte.

Vor allem in der ÖVP sieht man derlei Senkung aber weiter sehr kritisch. Weswegen es am Ende realistischer scheint, dass es maximal zu einer Art Preisdatenbank kommt. "Wirkliche Transparenz für die 20, 30 wichtigsten Lebensmittel herstellen", fordert Wifo-Chef Felbermayr. Das würde den Wettbewerb im Handel deutlich stärken.

Eine Forderung, übrigens, die in Österreich immer wieder aufs Tapet gebracht wird. Kein Wunder, kommen die Top-drei-Lebensmitteleinzelhändler im Land – Spar, Rewe und Hofer – laut RegioData Research doch auf satte 84 Prozent Marktanteil.