Wer in Wien in einem gutbürgerlichen Gasthaus einen Zwiebelrostbraten bestellen will, dem könnte angesichts von Preisen jenseits der 30 Euro leicht der Appetit vergehen. Essen im Restaurant ist für viele zum Luxus geworden. Während hier Verzicht noch eine Gegenstrategie sein kann, sind die starken Kostensteigerungen beim Wohnen und Lebensmitteln längst kein Luxusproblem mehr.
Der Schock über die überraschend hohe Inflation von 9,8 Prozent im April heizt die Debatte um Anti-Teuerungsmaßnahmen wieder an. Sogar Ideen, die die Regierung und Ökonomen bereits im Vorjahr als untauglich abgelehnt hatten, werden jetzt ins Spiel gebracht. Wirtschaftsminister Martin Kocher und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP) rückten am Donnerstag gemeinsam mit IHS-Chef Klaus Neusser aus, wohl um der Diskussion neue Spitzen zu nehmen.
Kocher setzt auf Preistransparenz
So hatte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kürzlich vehement wirksame Anti-Teuerungsmaßnahmen eingefordert. Das hatte er bereits vor einigen Wochen im Zusammenhang mit der dann nicht beschlossenen Mietpreisbremse gemacht. Jetzt sagte er im ZiB-2-Interview, dass man notfalls auch über das bisherige Tabuthema Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel nachdenken müsse.
Kocher erhofft sich dagegen durch höhere Preistransparenz und mehr Wettbewerb inflationsdämpfende Effekte. Die Erzeugerpreise und die Energiepreise gingen bereits zurück. Kochers Plan: Die Schaffung eines Preisrechners für Lebensmittel nach dem Vorbild des Spritpreisrechners. Nächste Woche lädt er dafür Experten ein. "Das ist natürlich nicht so einfach wie beim Sprit", räumt Kocher ein. Er hofft dennoch, dass eine Website für einen schnellen Preisvergleich innerhalb einiger Monate umsetzbar ist. Auch ein Treffen mit den Sozialpartnern bietet er an.
Der Ruf nach einer Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel dürfte Brunner und Kocher besonders ungelegen kommen. Sie würde zu massiven Steuereinbußen führen und Brunners Plan zuwiderlaufen, die exorbitanten Staatsausgaben während der Pandemie budgetär wieder einzufangen. Brunner sieht die soziale Treffsicherheit nicht gegeben. Das sei mehr Gießkanne als alle bisherigen Regierungsmaßnahmen.
"Es besteht auch immer die Gefahr, dass eine Mehrwertsteuersenkung nur bei den Händlern ankommt", so Brunner am Donnerstag in einem gemeinsamen Pressegespräch, zu dem auch der Interims-Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Klaus Neusser, zugeschaltet war. Neusser führt an, dass die Inflation bei Lebensmitteln in Österreich niedriger als in anderen EU-Ländern sei und es deshalb wenig Handlungsbedarf gebe.
Lebensmittelgipfel am Montag
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) trommelt am Montag allerdings die Spitzen der Lebensmittelbranche zusammen. Sein erklärtes Ziel: Die seit Jahren auffälligen Preisunterschiede für idente Produkte zwischen Deutschland und Österreich wegzubringen. Der Österreich-Aufschlag beträgt oft zehn bis 15 Prozent, argumentiert wird er mit höheren Kosten in Österreich. Ob sich nach dem Gipfel etwas ändert, darf mit Spannung beobachtet werden.
Kocher und Brunner betonten einmal mehr, mit den bisherigen Maßnahmen die Kaufkraft in Österreich gestärkt zu haben. Die Haushaltseinkommen seien um drei Prozent gestiegen. Das starke Wirtschaftswachstum von fünf Prozent sei auch eine Ursache für die hohen Inflationsraten. Zum monatelangen Dauerbrenner der Mietpreisbremse rückt Brunner ebenfalls nicht von den bekannten Positionen ab, dass der Koalitionspartner dann auch Maßnahmen zum einfacheren Eigentumserwerb akzeptieren müsse.
Ein kräftiges Sinken der Inflationsrate sieht IHS-Interimschef Klaus Neusser erst bei deutlich sinkender Nachfrage. Die sei aber hoch, ein anschauliches Beispiel dafür sei die Gastronomie.
Claudia Haase