Österreichs Industrie muss vorerst von einer Stagnation ausgehen, zeigt die Konjunkturerhebung der Industriellenvereinigung (IV). Erst im 2. Halbjahr sei mit einem Aufschwung zu rechnen. Während die Unternehmen den aktuellen Geschäftsgang seit sieben Quartalen schwächer einschätzen, habe sich die Einschätzung auf Sicht von 6 Monaten zum zweiten Mal in Folge verbessert, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Daher stieg das Konjunkturbarometer um 3 auf 10,7 Zähler.

Auch wenn aus heutiger Sicht keine konjunkturelle Großkrise drohe, müssten Chancen genützt werden, die Wirtschaft anzukurbeln, merkte IV-Ökonom Christian Helmenstein an. Dazu zählen unter anderem Handelsabkommen. Nach der jüngsten Schätzung des Internationalen Währungsfonds sei für die fortgeschrittenen Industrienationen heuer mit einem realen Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent zu rechnen, für Schwellen- und Entwicklungsländer hingegen mit einem Plus von 3,9 Prozent. "Umso wichtiger ist es, die Potenziale einer besseren internationalen Handelsintegration unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien zu nutzen", sagte Helmenstein. Ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten unter Einhaltung von Standards in Arbeitsrecht und Umweltfragen könnte den Export ankurbeln und die Abhängigkeit von Staaten wie China reduzieren. So etwa, wenn es um die Beschaffung von Rohstoffen gehe. Frühere Abkommen – etwa mit Chile, Kanada und Ägypten – hätten sich positiv auf die Exporte ausgewirkt, sagte der IV-Ökonom.

Zehntausende Fachkräfte fehlen

Daneben seien noch weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft nötig: So gebe es einen Arbeitskräftebedarf in sechsstelliger Höhe, wie Helmenstein betonte. Die Wirtschaft bräuchte zudem Zehntausende Fachkräfte. "Im 1. Quartal wurden 1600 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt. Auf das Gesamtjahr sind das 6000 bis vielleicht 8000 Arbeitskräfte – aber das löst das Problem nicht."

Neben der von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) geforderten Begünstigung von Überstunden ist laut der IV eine der Arbeitsrealität angepasste Kinderbetreuung und Pflege ebenso notwendig, wie finanzielle Anreize, damit sich mehr Personen für Vollzeit entscheiden. Aber auch die Beschleunigung der Ausbildung durch die Abschaffung bürokratischer Hürden beim Studium sei nötig, sagte Helmenstein. Weiters plädierte der Ökonom für ein höheres Pensionsantrittsalter. Allerdings gehe es dabei nicht um ein höheres gesetzliches, sondern um ein höheres effektives Antrittsalter. Anreize sollten Mitarbeiter länger in Beschäftigung halten.