Das im späten 15. Jahrhundert erbaute Rathaus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana/Laibach ist ein Prachtbau im Herzen der Altstadt. Über verwinkelte Stiegen gelangt man ins Büro von Rok Žnidaršič, dem neuen Vizebürgermeister und obersten Stadtplaner von Laibach. Die Neuorganisation des Verkehrs und die "Anpassung öffentlicher Räume" an den Klimawandel sowie die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern sind seine zentralen Themen.
Laibach, 2016 zur "Grünen Hauptstadt Europas" gekürt, gilt bereits in einigen Belangen als vorbildlich. Drei Viertel des Gemeindegebiets der 280.000-Einwohner-Stadt Laibach sind Grünflächen, rechnerisch 542 Quadratmeter für jeden Einwohner. Das Stadtzentrum selbst ist größtenteils verkehrsberuhigt und nur für Fußgänger und Radfahrer zugänglich. Fahrräder stehen überall zum Verleih, "Kavalir"-Elektrofahrzeuge können kostenlos genutzt werden – nur zwei von vielen Initiativen.
Wo Staus zum Alltag gehören
Ein anderes Bild zeigt sich aber an den Stadtzufahrten, wo Staus zum Alltag gehören. Žnidaršič sieht darin einen "Auftrag, zu handeln". Die wiederkehrenden Verkehrsstaus seien auch Ergebnis sozialistischer Raumordnung außerhalb der Stadt, diese wurde später fortgeführt: "Der slowenische Traum vom Leben in einem frei stehenden Haus in der Natur führte zu einer extremen Zersiedelung des ländlichen Raums." Damit verbunden sind viele Probleme, vor allem im Bereich der Mobilität. Viele Menschen zieht es täglich zur Arbeit in die Stadt.
"Da die Eisenbahninfrastruktur im Land extrem schlecht entwickelt ist, fahren viele mit ihrem Auto zur Arbeit." Den Druck des Individualverkehrs auf die Stadtstraßen zu begrenzen, ist daher ein zentrales Ziel: "Die Chance liegt in der Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur und der Beschränkung der Zufahrt zur Innenstadt für Privatfahrzeuge." Auch "weiche Ansätze" verfolge er, etwa das Projekt "SmartMOVE" (Smart Solutions for Sustainable Mobility). Damit soll eine nachhaltige Mobilität an verkehrsreichen Standorten in und um die Stadt Laibach gefördert werden. Für ausgewählte Institutionen, die viel Verkehr generieren, werden Mobilitätspläne entwickelt. Etwa ein "dynamischer Gruppentransport zur Arbeit mit Vans".
Der Traum von der "15-Minuten-Stadt"
Žnidaršičs städtischer Traum ist eine "15-Minuten-Stadt": Alle relevanten Ziele des täglichen Lebens wie Schulen, Kinderbetreuung oder Einkaufsmöglichkeiten, öffentliche Räume und Erholungsbereiche in Grünanlagen sollen innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden. Dass die gesamte Innenstadt eines Tages autofrei wird, wünscht sich Žnidaršič aber nicht: "Es geht vielmehr darum, die Innenstadt für Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel besser zugänglich zu machen." Seine Vision einer idealen Stadt? "Autonome Fahrzeuge, die alle Fahrten innerhalb der Innenstadt durchführen können." Saubere, elektrische Fahrzeuge, die in ständiger Bewegung sind und langfristig den Individualverkehr ersetzen könnten. Mit autonomen Fahrzeugen könnte der Bedarf an Parkplätzen erheblich reduziert und öffentliche Räume autofrei werden.
Fahrradwege haben oberste Priorität
Die Erweiterung von Fahrradwegen habe "oberste Priorität", die Innenstadt soll mit den Vororten und umliegenden Gemeinden verbunden werden. Eine Sorge Žnidaršičs betrifft die Eisenbahnschienen, die die Stadt in mehrere Sektoren teilen. Eine Idee lautet, die Güterzugstrecken zu verlegen und die Strecken in der Innenstadt nur für den Personenverkehr zu nutzen. Die Bereiche neben der Bahnstrecke könnten der Entwicklung öffentlicher Räume und Grünflächen dienen.
Die Verlangsamung des Verkehrs steht auch auf Žnidaršičs Agenda. "Eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h wäre eine Option, aber es ist noch zu früh für Entscheidungen, da wir derzeit ein Verkehrskonzept entwickeln", sagt der stellvertretende Bürgermeister in einem Interview mit der Kleinen Zeitung.
Bis zu 60.000 Menschen mehr
Ein Masterplan sieht vor, dass Laibach um bis zu 60.000 Menschen wachsen und eine Bevölkerung von rund 340.000 erreichen könnte. "Das bedeutet jedoch nicht, dass es ein Ziel ist, in diesem Maße zu wachsen", erklärt er.
Derzeit liegt der Fokus im Stadtzentrum von Laibach ohnehin auf einem anderen Thema – der zunehmenden Abwanderung Einheimischer aufgrund der "Touristifizierung", so Žnidaršič. Der Massentourismus überflute das Stadtzentrum von Ljubljana. Viele Wohnungen in der Innenstadt würden nur mehr für "kurzfristige Vermietungen" etwa über Airbnb, genutzt, Stadtbewohner werden aus ihren Vierteln gedrängt. Mit der Folge, dass sich das Gesicht der Innenstadt verändert, Geschäfte für den täglichen Bedarf aus der Altstadt verschwinden und stattdessen etwa Souvenirgeschäfte und Gastronomie einziehen.
Tourismuszone erweitern
Es gebe derzeit keine geeigneten gesetzlichen Regelungen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen, klagt Žnidaršič. "Wir versuchen jenen Bereich, in dem sich Touristen bevorzugt aufhalten, zu erweitern, man kann auch gut eine Woche in Ljubljana verbringen und nicht nur einen oder zwei Tage in der Altstadt." Einer der vielen Pläne der Stadt sei die Fortsetzung der Entwicklung von Parkanlagen entlang des Flusses Ljubljanica. Das Projekt eines "kreisförmigen Wasserweges" soll dem Fluss eine neue Dimension verleihen.
Was den obersten Stadtentwickler zuversichtlich stimmt: Die enge Abstimmung mit anderen Städten, die ähnliche Probleme haben wie Laibach, allen voran Barcelona. Dort seien die ersten Initiativen im Kampf gegen den alles überrollenden Massentourismus erfolgreich, von diesen wollte man lernen.