Der „Großbaustelle Vertrauen“ widmet sich noch bis Samstag die siebente Auflage der Millstätter Wirtschaftsgespräche. Das abwechslungsreiche Programm der Veranstalter Markus Gruber und Alfons Helmel zieht rund 260 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Millstätter See. Vertrauen sei "der brüchig gewordene Kitt der Gesellschaft", dieser Riss dürfe "nicht noch größer" werden, warnte Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP) in seiner Begrüßung.
Eine Einordnung der Begriffsdimension nahm Eva Zeglovits, Geschäftsführerin vom Ifes-Institut, vor: Vertrauen sei die Grundlage dafür, dass die Gesellschaft funktioniere. Blindes Vertrauen sei aber genauso schlecht, wie ungerechtfertigtes Misstrauen. Zeglovits hielt ein „Plädoyer für die Rationalität“. Den Vertrauensverlust während der Pandemie in die Spitzenpolitik - nach anfänglich hohen Vertrauenswerten - machte sie an drei Punkten fest. So wurden die Zahlen zur Pandemie politisiert sowie „Fakten und Politik vermischt“ - die Form der politischen Kommunikation habe die Gesellschaft entzweit. Zudem habe der Föderalismus „für sich keine Werbung gemacht“, sagte Zeglovits.
Krisen seien stets der Brennstoff für Verschwörungsmythen. Medien bescheinigt sie heute am selben Problem zu leiden wie Parteien und Meinungsforschungsinstitute: „Man wird am schlechtesten Produkt gemessen.“ Gerade der Vertrauensverlust in Medien sei „erschütternd“.
"Keine einzige der Vorhersagen ist eingetreten"
Die Keynote hielt Öbag-Aufsichtsratschef und Flughafen-Wien-Vorstand Günther Ofner. Besonders prägend sei für ihn der Bericht des "Club of Rome" zu den Grenzen des Wachstums vor 50 Jahren gewesen. „Die düsteren Prognosen haben damals mein Leben überschattet“, sagte Ofner. Aber, meint er heute, „keine einzige der Vorhersagen“ sei eingetreten. So wurde prognostiziert, dass die Zahl der Hungertoten extrem zunehmen werde – tatsächlich sei das Gegenteil der Fall gewesen.
Dasselbe gelte für alle weiteren Prognosen des „Club of Rome“ – etwa zur steigenden Zahl Toter durch Naturkatastrophen, selbst diese sei nicht eingetreten. „Die Prognosen waren deshalb falsch, weil man Entwicklungen extrapolierte, ohne zu berücksichtigen, dass Menschen und Systeme darauf reagieren.“ Menschen fänden Mittel und Wege, damit solche Prognosen nicht eintreten. Man müsse daher „jegliche Zukunftsprognose mit größtem Misstrauen“ betrachten.
"Positive Vision der Lösungsmöglichkeiten"
Die Menschen hielten negative Szenarien für glaubwürdiger, denn es sei Teil des evolutionären Erbes, dass unser Gehirn negative Ereignisse und Nachrichten stärker wahrnehme. Die Möglichkeiten, die Klimakatastrophe abzuwenden, seien jedoch vielfältig, die Kreativität des Menschen und seine Fähigkeit, neue Lösungen zu finden, würde gravierend unterschätzt, so Ofner. Es brauche „eine positive Vision der Lösungsmöglichkeiten, um die Zukunft zu meistern“.
Die Transformation in eine CO₂-freie Zukunft könne "nicht durch das Predigen von Verzicht" erfolgen, sondern nur durch eine positive Entwicklungsperspektive für alle Menschen, so Ofner. Mit der Vorstellung von Verzicht finde man nirgendwo Anklang.
Das Fliegen sei für 2,7 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich. „Ausreichend genug, dass man sich darum kümmern muss“, meinte der Flughafen-Chef. Er ist sich sicher, dass der Flugverkehr "der erste Massenverkehrsträger" sein wird, der vor 2050 CO₂-neutral werde. "In den Wüsten Nordafrikas" werde dann ausreichend synthetisches Kerosin erzeugt, um das erdölbasierte Kerosin zu ersetzen. Flugzeug-Turbinen seien bereits in der Lage, mit synthetischem Kerosin betankt zu werden. „Keine Utopie, sondern etwas, das sehr rasch ablaufen wird.“ Wird synthetisches Kerosin großtechnisch erzeugt, dann zu jenen Preisen, die heute „normales“ Kerosin kostet, ist Ofner überzeugt.
Medien rät er, sich vom „Erziehungsjournalismus zu entfernen". Viele hätten den Eindruck, "erzogen und gegängelt" zu werden, berichtet werde nicht mehr, "was ist, sondern was sein sollte", sagte Ofner.
„Es waren mehr als drei schlaflose Nächte“
Das Vertrauen in die Versorgungssicherheit mit Energie, thematisierte Michael Strebl, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wien Energie. Die Liberalisierung der Energiewirtschaft sei in Summe ein Gewinn, auch wenn es "Nachschärfungen bei der Regulierung" brauche. Die Energie Wien schlitterte im August 2022 in eine höchst kritische Phase. Diese Krise wurde gelöst, danach sei man aber zum Spielball der politischen Kräfte geworden, sagte Strebl. „Es waren mehr als drei schlaflose Nächte.“ Ob man angesichts steigender Volatilitäten auf eine gesicherte Energieversorgung vertrauen könne? „Auch fossile Energien sind volatil. Es wird aber keine einfache Lösung geben - auch nicht große Photovoltaik-Felder in Afrika", antwortet er Ofner.
"Was darf man sagen, was nicht?"
Die Vertrauenskrise zwischen Medien und Publikum war Thema des Gesprächs von Kleine Zeitung-Chefredakteur Hubert Patterer mit Moderator Sebastian Loudon. Patterer sieht "Entfremdungsprozesse" zwischen den Medien und der Leserschaft, an deren Beginn stand die Migrationskrise 2015. Das, was manche damals persönlich erlebt hätten, habe "mit dem Lied der Willkommenskultur von Politik und Medien“ nicht übereingestimmt, so Patterer. Die Medien hätten daraus gelernt und seien „Richtung pragmatischen Humanismus“ umgeschwenkt. Später, während der Pandemie, entstand jene Zuschreibung für Medien, die Patterer als größte Bedrohung empfindet: „Teil des Oben zu sein - und nicht des Unten.“
"Digitale Abos als einzige strategische Chance"
Während der ersten Phase der Pandemie hätte sich auch die Kleine Zeitung zu sehr darauf beschränkt, die Maßnahmen zu rapportieren, so Patterer selbstkritisch. Dem Appell, sich vom „Erziehungsjournalismus“ zu verabschieden, kann Patterer einiges abgewinnen: „Ich halte das wirklich für eine Fehlentwicklung: Was darf man sagen, was nicht?“ Viele Leute spürten Unbehagen, wenn sich Journalismus als Gouvernante aufspiele, etwa beim Gendern. „Wenn es als Ausdruck der Gesinnung hingeknallt wird, wie etwa im ORF, empfinde ich das als problematisch.“
Der gesamten Branche gehe es derzeit nicht gut, sagt Patterer. Verschiedenste negative Faktoren wirkten zugleich auf die Verlage ein, etwa der verdreifachte Papierpreis und eine rückläufige Printauflage. Steigende Digitalerlöse würden dies noch nicht ausgleichen. Die einzige strategische Chance der Verlage seien daher die digitalen Abos - hier gehe es nun um einen fairen Wettbewerb mit dem ORF. Sonst drohe den Tageszeitungen der stille Tod, warnt Patterer.
"Welt im Schleudergang"
Die frühere Landwirtschafts- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger ist heute Unternehmerin und Ryanair-Aufsichtsrätin. Sie sieht „eine Welt im Schleudergang“. Wem sie als Unternehmerin vertraue? "Mir selbst."