Die Inflationsraten fallen so hoch aus wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die Wirtschaft wächst nur minimal – wie wirkt sich diese Kulisse auf die Reisebranche aus?
GOTTFRIED MATH: Wir sehen sowohl anhand von Umfragen als auch am Buchungsverhalten sehr deutlich: Trotz hoher Kosten, trotz hoher Inflation lassen sich die Österreicherinnen und Österreicher ihren Urlaub nicht nehmen. Der Jänner 2023 war bei TUI in Österreich bei Vorausbuchungen für den Sommer der stärkste Monat überhaupt, da liegen wir auch über dem sehr hohen Vor-Corona-Niveau von 2019. Auch die Monate Februar und März waren sehr stark. Es lässt sich also sagen, dass die Reiselust ungetrübt ist – und dass die Themen Inflation und Krisen hier keinen Einfluss haben.

Die enorme Teuerung hat also überhaupt keine Auswirkungen auf die Urlaubsplanungen der Menschen?
Was wir schon sehen: Die gestiegenen Preise veranlassen viele Kundinnen und Kunden dazu, einen All-inclusive-Urlaub zu buchen, weil damit Budgetsicherheit und Kostenkontrolle einhergehen und fast keine Zusatzbelastungen mehr anfallen. Mehr als jede zweite Buchung entfällt auf ein All-inclusive-Paket – hier haben die Türkei, Ägypten und Tunesien das umfangreichste Angebot.

Gottfried Math, Chef des Reisekonzerns TUI in Österreich
Gottfried Math, Chef des Reisekonzerns TUI in Österreich © Juergen Fuchs

Um wie viel hat TUI die Preise im Schnitt angehoben?
Im Schnitt ist es bei TUI Österreich um rund acht Prozent teurer geworden – über alle Produktkategorien. Aber es gibt natürlich Unterschiede, bei Tunesien rechnet man mit rund zwei Prozent Preissteigerung, bei anderen Destinationen, wo der Dollar-Kurs eine größere Rolle spielt, liegen die Preissteigerungen auch im zweistelligen Prozentbereich, so auch bei USA-Reisen selbst.

Flugtickets sind bei Einzelbuchungen teils viel teurer geworden, wie wirkt sich das aus?
Wir haben unsere Kontingente frühzeitig eingekauft, das bringt schon einen preislichen Vorteil. Und natürlich steigt man hinsichtlich der Kosten bei einem Charterflug besser aus als bei einer individuellen Linienbuchung, da sind die Ticketpreise schon richtig deutlich gestiegen.

Zuletzt sorgten Warnstreiks und Betriebsversammlungen für Flugausfälle. Für die Ferienreisezeit haben einige Airlines die Kapazitäten reduziert, um einen Chaos-Sommer wie im Vorjahr zu verhindern ...
Wir haben dieses Szenario im Sommer 2022 schon gehabt. Aber wir sind in Österreich, im Vergleich zu Deutschland, Holland oder England sehr gut ausgestiegen, was Abfertigungen, Pünktlichkeit und das Programm betrifft. Wenn sich aber auf großen europäischen Drehkreuzen wie Frankfurt oder Amsterdam etwas verschiebt, kann sich das natürlich überall auswirken. Aber die österreichischen Flughäfen haben hier ihre Hausaufgaben wirklich gemacht, sind auch personell besser aufgestellt als andere europäische Airports. Das hat man 2022 gesehen, das wird auch heuer funktionieren. Ich bin zuversichtlich.

Reisebüros, denen vor Jahren aufgrund der Digitalisierung kaum eine Zukunft beschieden wurde, erleben eine Renaissance. Hält das an?
Ja. Es hat sich gezeigt, dass direkte Beratung – und auch das Service während einer Reise – für Kundinnen und Kunden einen hohen Stellenwert hat. Die pandemiebedingten Verschiebungen und Umbuchungen der letzten Jahre haben vielen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, direkte, sichere Ansprechpartner zu haben, die sich im Fall des Falles um Probleme kümmern.

Reisen wurden in den letzten Jahren immer kurzfristiger gebucht. Hat sich das gekehrt?
Ja, es wird wieder früher gebucht, das haben die ersten Monate des Jahres sehr klar gezeigt. Die Kurzfristigkeit hatte mit der Coronalage und einem damit verbundenen Abwarten der Kunden zu tun. Jetzt wurden verstärkt Frühbucherangebote genutzt. Das hat auch mit dem Thema "Last minute" zu tun ...

Inwiefern?
Das wird es in der Form, wie es vor Corona war, schlicht nicht mehr geben. Es wird zwar möglich sein, kurzfristig zu buchen, aber nicht mehr zu attraktiven Preisen. Last-minute-Schnäppchen, die man früher kannte, die gibt es nicht mehr. In der Tendenz gilt, je später gebucht wird, desto teurer wird es.

Welche Destinationen sind für den Sommer stark gefragt?
Bei uns ist Griechenland klarer Spitzenreiter, dann kommen die Türkei, Spanien und Italien. Bei den Zieldestinationen sind es Kreta, Rhodos, Antalya und Mallorca. Die sind alle über dem Vorkrisenniveau unterwegs. Auch Kroatien ist vor allem in Südösterreich weiterhin sehr beliebt. Auch Städtereisen sind nach dem Corona-Einbruch wieder zurückgekommen.

Und bei Fernreisen?
Die Malediven sind jetzt auch im Sommer gefragt, daneben werden trotz der Preisentwicklungen die USA am stärksten gebucht.

Die letzten Sommer waren in beliebten Urlaubsdestinationen im Süden teils von heftigen Waldbränden und extremen Hitzewellen geprägt. Spielt das bei Buchungen eine Rolle?
Das spiegelt sich im Buchungsverhalten eigentlich nicht wider. Auch das Erdbeben in der Türkei hat zuletzt keine Auswirkungen auf die Neubuchungen gehabt. Der Kunde vergisst oft schnell, blendet das aus – und nimmt das als lokal begrenzte Ereignisse wahr.

In der Pandemie hat sich die Branche vielfach Sorgen über die Zukunft der Bundesländerflughäfen gemacht – welche Rolle spielen sie für TUI?
Sie haben eine große Bedeutung für uns. Wien ist zwar klar die Nummer eins für Abflüge. Aber vor allem Salzburg und Graz haben für uns schon massiv an Bedeutung gewonnen. In Salzburg haben wir bereits vor der Pandemie – gemeinsam mit Eurowings – unser Programm stark ausgebaut. Das läuft auch sehr gut, die kurzen und unbeschwerten Wege eines Regionalflughafens sind ihr größter Vorteil. Das funktioniert auch in Graz sehr gut, wo wir das heuer ebenfalls mit Eurowings, die mit Anfang Mai ja auch eine eigene Basis in Graz eröffnet, aufgezogen haben.

Wie wirkt sich das auf die Kapazitäten aus?
Die haben wir enorm ausgeweitet. Im Vergleich zu 2019 haben wir die Graz-Kapazitäten um 42 Prozent gesteigert. Damit hat die TUI, als größter Veranstalter in Österreich, maßgeblich zur Stationierung der Eurowings in Graz beigetragen. Wir haben 21 wöchentliche Abflüge ab Graz, zwei Drittel mit Eurowings. Insgesamt fliegen wir ab Graz fünfmal Kreta an, dreimal Rhodos, Antalya und Mallorca sowie zweimal Kos und Hurghada und jeweils einmal Karpathos, Korfu und Larnaka. Auch die neuen Direktflüge nach Hamburg und Berlin sind gut für uns.

Gerade ist wieder die Debatte darüber entbrannt, warum die Koralmbahn auf der Strecke von Klagenfurt nach Graz nicht direkt am Grazer Flughafen hält. Bedauern Sie das?
Ja, sogar sehr. Das ist aus meiner Sicht eine vergebene Chance und sehr schade.